Dampfplauderer Armin Laschet mit seinem Freund Cem Özdemir beim Tierischen Ernst 2005. Dem ging schon damals der Hut hoch. // Foto: Archiv Ulrich Simons |
12. Dezember 2020
Kommentiert
Lockdown-Laschets
wundersame Wandlung
Man kann NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ja alles Mögliche vorwerfen. Dass er eine flache Lernkurve hat, gehört nicht dazu. Andererseits hatte er für seinen Sinneswandel immerhin ein halbes Jahr Zeit.
Erinnern Sie sich noch an die erste Corona-Welle im Frühjahr? Armin Laschet (NRW) gegen Markus Söder (Bayern). Der Hardliner aus dem Süden gegen Laissez-faire-Armin aus Aachen-Burtscheid. Was haben die sich gezofft!
Während Söder die Zügel stramm hielt, konnte es Laschet mit den Lockerungen nicht schnell genug gehen. Aber was will man erwarten, wenn einer das Adjektiv "lasch" schon im Namen tägt?
Als Laschet merkte, dass Söder als Krisenmanager ernst genommen wurde und seine eigenen Beliebtheitswerte Woche für Woche weiter in den Keller rauschten, als er feststellen musste, dass seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz und die Merkel-Nachfolge in immer weitere Ferne rückten, da änderte er die Taktik und drehte sich um 180 Grad.
Was hat er sich denn dabei gedacht?
Ein halbes Jahr später ist der NRW-Landesvater mit der Rhetorik irgendwo zwischen Oberlehrer und Dorfpfarrer nicht mehr wiederzuerkennen.
Schneller - härter - länger lautet jetzt seine Lockdown-Formel, und am Freitag kündigte er dann an, am liebsten gleich am Montag ganz NRW bis auf die Supermärkte, Apotheken, Tankstellen und was der Mensch sonst noch so braucht bis zum 10. Januar in den Corona-Winterschlaf schicken zu wollen.
Der Mann, der im Frühjahr als einer der ersten aus der Reihe ausscherte und die Absprachen der Ministerpräsidenten brach, war sich dabei noch nicht einmal zu schade, ein "bundesweit einheitliches Vorgehen" zu fordern.
Freitag zu verkünden, dass es ab Montag voraussichtlich nichts mehr gibt: Was hat er sich denn dabei gedacht, wenn überhaupt? Hat er ernsthaft erwartet, dass die Leute brav zu Hause sitzenbleiben, bis man ihnen am Sonntag sagt, dass jetzt die Geschäfte endgültig und mindestens bis zum 10. Januar geschlossen sind?
Die Ankündigung traf all jene mitten ins Herz, die auch in diesem Jahr die Sache mit den Weihnachtsgeschenken verpennt hatten und am dritten Adventssamstag immer noch mit leeren Händen dastanden.
Prompt goss die BILD-Zeitung Online noch eine weitere Ladung Öl ins Feuer und titelte mit dem verzweifelten Aufschrei: "KÖNNEN WIR NÄCHSTE WOCHE NOCH WEIHNACHTSGESCHENKE KAUFEN?"
Der Ansturm auf die Innenstädte
Weil niemand sich darauf verlassen wollte, was Angela Merkel und die Landesfürsten (mal wieder am Parlament vorbei) am Sonntag beschließen, und ob die Geschäfte in der nächsten Woche noch offen sein würden, brach bereits am Freitagnachmitag der Weihnachts-Endspurt über die Innenstädte herein.
Nochmal schnell rein in die City, bevor es nichts mehr gibt. Weihnachts-Schlussverkauf. Mir kumme met alle Mann vorbei, Hurra! Das Parkhaus in der Blondelstraße hisste am Samstag gegen 13 Uhr als erstes die weiße Fahne. VOLL!
Auch die Quadratmeter-Regelung im Einzelhandel entpuppte sich als ziemlich praxisfern. Die Vorgabe, soundsoviele Menschen pro Quadratmeter Verkaufsfläche zuzulassen, war gleich doppelt meschugge.
Denn Verkaufsfläche ist nicht gleich Lauffläche. Wenn man die Kontakte reduzieren will, muss man natürlich die Flächen, die mit Schränken und Regalen zugestellt sind, aus der Berechnung herausnehmen.
Außerdem verteilen sich die Kunden in großen Geschäften und Warenhäusern nicht gleichmäßig. Während manche Artikel wie z.B. Reiseführer überhaupt nicht nachgefragt wurden und in den entsprechenden Abteilungen ziemliche Leere herrschte, standen sich die Kunden bei Spielwaren auf den Zehen.
Noch schnell ein paar Viren für den Heimweg mitnehmen? Corona to go gewissermaßen? Das Verkaufspersonal mittendrin in dem Tumult konnte einem leid tun.
Völlig irre: Noch Anfang Oktober hatte Lockdown-Laschet die Geschäfte an den Sonntagen im Advent öffnen wollen, um das Weihnachtsgeschäft zu "entzerren". Das genaue Gegenteil wäre vermutlich eingetreten.
Weiß der Mann überhaupt noch, was er will, was er redet und was er tut?
Restaurantbetreiber wurden komplett verarscht
Meine Stamm-Italiener, Luigi und Giovanni vom "La Masseria" in der Hüttenstraße in Rothe Erde, hatten alles richtig gemacht. Die Kontaktnachverfolgung funktionierte tadellos, es gab Desinfektionsspender, Pfeffer und Salz kamen in Portionstütchen, die Tische waren ausgedünnt, dazwischen hingen für viel Geld beschaffte Plexiglas-Scheiben zum Schutz der Gäste.
Auch die Giessweins von der "Waldschenke" hatten die Corona-Beschränkungen tipptopp im Griff. Kontaktnachverfolgung, Tische weit auseinander, Handhygiene - alles lief wie am Schnürchen, man fühlte sich sicher.
Manche Restaurantbetreiber hatten sogar noch teure Heizpilze für die Außengastronomie angeschafft. Anfang November mussten sie trotzdem schließen, während das Volk die Baumärkte stürmte und die "Querdenker" (quer: ja, denken: nein) die Wochenenden mit ihren unsäglichen Verschwörungs- und Verweigerungs-Darbietungen bestimmten.
Politiker wie Armin Laschet waren es (glücklicherweise gibt es nicht so viele von seiner Sorte), die im Frühjahr mit ihrem voreiligen Lockerungsgerede das Virus verharmlost haben. Und die Entwicklung im Sommer schien ihnen sogar Recht zu geben, während Wissenschaftler bereits eindringlich vor der "zweiten Welle" warnten, die unweigerlich losbreche, wenn die Temperaturen sinken würden.
Als es dann soweit und der Sommer zu Ende war, nahmen viele Menschen im Land das Virus nicht mehr ernst. Ein fataler Fehler.
Man mag sich lieber nicht vorstellen, wie es in diesem Land und auf seinen Intensivstationen heute aussähe, wenn in den vergangenen Monaten in Berlin ein Bundeskanzler Armin Laschet auf der Kommandobrücke gestanden hätte.
Da wünscht man sich die Zeiten zurück, als Laschet mit seinem Freund Cem Özdemir bei der Ordensverleihung des AKV in die Bütt stieg. Da hat er zwar auch schon Blödsinn geredet. Aber er hat damit wenigstens keinen Schaden angerichtet.
Anderen ist es offenbar auch schon aufgefallen. Graffito am Netto-Markt Boxgraben. // Foto: Peer van Daalen |
|