30. August 2019
Hauptpost Aachen:
Wo der Verstand auf der Stelle tritt
Die Deutsche Post hat es nicht leicht. In den Köpfen vieler Menschen halten sich unausrottbar die Vorurteile aus der Zeit vor 1994, als der Verein noch "Deutsche Bundespost" hieß und in den Augen zahlreicher Kunden ein verschnarchter und ziemlich bürokratischer Saftladen war.
Daher auch der Ausdruck "Flaschenpost".
Doch es hat sich was bewegt. Über weite Strecken ist die Post im Laufe der vergangenen 25 Jahre deutlich besser geworden. Bei der E-Mobilität fährt sie ganz vorne mit, die Brieflaufzeiten haben sich spürbar verkürzt, unser neuer Briefträger ist richtig Klasse, und der an der alten Adresse war auch schwer in Ordnung.
Seit heute Morgen habe ich allerdings den Verdacht, dass der positive Eindruck ein bisschen schief ist, weil man die schwierigen Fälle gezielt zum Innendienst abkommandiert hat und sie an Arbeitsplätzen ihr Unheil stiften lässt, wo man ihnen als Kunde glücklicherweise nicht täglich über den Weg läuft.
Der falsche Vorname
Zur Vorgeschichte: Frau Simons hat sich zwei Paar Schuhe bestellt, Lieferung bitte an die seit Jahren gemeinsam genutzte Packstation, für die bisher eine Kundenkarte reichte, die ich mit in die Ehe gebracht habe. War nie ein Problem, nur stand auf dem Paket diesmal nicht als Empfänger "Ulrich", sondern "Marlies Simons".
Am Mittwoch rappelt es in meinem E-Mail-Postkörbchen: "Ihre Packstation Sendung wurde umgeleitet", lässt mich DHL wissen und erklärt dem Herrn Simons: "Leider konnte Ihre Sendung nicht in die gewünschte Packstation eingestellt werden. Ihre Sendung liegt daher für Sie in der Filiale Kapuzinergraben 19 in Aachen am nächsten Werktag ab 11 Uhr für Sie bereit."
Ich denke noch: "Wer weiß, wieviel Schuhe Frau Simons da wieder neu bekommt, vielleicht war das Paket einfach zu groß", und mache mich am Freitag auf zur genannten Filiale.
Die weißhaarige Dame hinter dem Schalter wirkt zunächst ganz umgänglich, stößt aber an ihre Grenzen, als sie die Sendung zunächst nicht findet und dann, nachdem ich ihr die DHL-Benachrichtigung auf meinem Smartphone gezeigt habe, feststellt, dass bei ihr im Computer eine "Marlies Simons" als Empfängerin angegeben ist.
Die sitzt zur gleichen Zeit nach schwerem beidseitigem Beschuss durch eine Hexe und nachgelagertem Arzttermin vor der Tür im Auto in der Halteverbotszone und hält nach Politessen Ausschau, weil irgendein Schwachmat bei der Post vor Jahren auf die Idee gekommen ist, die zentrale Paketausgabe für ganz Aachen mitten in die Stadt zu verlegen, wo die Grünen gerade dafür sorgen, dass es demnächst noch weniger Parkplätze gibt.
Ich erkläre den Sachverhalt, aber weil auf der DHL-Kundenkarte für die Packstation neben der Nummer der "falsche" Name steht, nämlich meiner, gibt es nur eine Konsequenz: "Ich darf Ihnen das Paket nicht geben!"
"Ist nicht wahr!"
"Doch!"
"Echt nicht?"
"Nein!"
Ich probiere es mit Logik: "Wenn ich das Paket alleine an der Packstation abgeholt hätte, hätte es doch auch keinen interessiert."
Der Versuch geht unter den weißen Haaren ins Leere.
"Ich brauche eine Vollmacht!"
"Wie soll die aussehen?"
"Ihre Frau muss da was schreiben."
Ich wäre nicht überrascht, wenn sie zur Bekräftigung ihrer Aussage jetzt eine vergilbte Durchführungsverordnung der Reichspostverordnung von 1898 unter dem Tresen hervorholen würde.
Der Chef tut beschäftigt und knallt die Tür zu
Die Post und ihr Verständnis von Kundennähe und Service im Jahr 2019.
Es ist nicht zu fassen.
Im Rausgehen schaue ich mich unauffällig in der Schalterhalle um. Guido Cantz ist nirgendwo zu entdecken. Also scheint es hier nicht um eine neue Folge von "Verstehen Sie Spaß?" zu gehen.
Die Schikane ist tatsächlich echt.
Kurze Zeit später bin ich zurück. Mit dem Ausweis von Marlies, die immer noch im Auto vor der Tür ihren Hexenschuss auskuriert und nicht einmal die Treppe hochkäme, wenn sie wollte. Zudem steht ihr der Sinn nach allem Möglichen, nur nicht nach dem Ausstellen überflüssiger Vollmachten.
Diesmal lande ich bei einem Mitarbeiter, der nicht nur körperlich etwas schwerfälliger wirkt als seine Kollegin. Offenbar hat er das Gespräch eben am Nachbarschalter mitverfolgt. Entsprechend herzlich ist der Empfang.
"Ich kann Ihnen das Paket auch mit dem Ausweis Ihrer Frau nicht geben. Das hat sie ..." (Kopfbewegung zu seiner Kollegin) "... Ihnen doch gerade schon fünfmal erklärt.
Ich brauche eine Vollmacht. Der Ausweis reicht nicht."
Ich frage nach seinem Vorgesetzten. Der residiert gegenüber hinter Glas, trägt die Reste eines weitestgehend gescheiterten Bartversuches im Gesicht und hat vermutlich vor zehn Jahren noch mit der Kinderpost gespielt.
Er ist gerade in ein Gespräch mit einer Dame vertieft oder tut zumindest so. Weil die Tür des Aquariums ein Stück weit offensteht, beschließe ich, mich ein wenig zu gedulden. Kann ja nicht ewig dauern.
Nach etwa fünf Minuten hat das Jüngelchen endlich mitbekommen, dass vor der Tür ein Besucher wartet. Ziemlich unvermittelt schießt er hinter seinem Schreibtisch hervor, und ich kann gerade noch verhindern, dass er mir die Tür vor der Nase zuknallt.
Als ich ihn anspreche, schnauzt er mich an: "Ich mag das nicht, wenn man hier vor der Tür steht." Als ob es meine Schuld wäre, dass es keine Stühle gibt.
"Ich habe ...", deutet der Bubi auf den Schalter, an dem ich zweimal gescheitert bin "... hier vier wundervolle Kollegen und da vorne ..." der Arm schwenkt in die andere Richtung "... auch noch drei. Die werden Ihnen gerne helfen."
"Tun sie eben nicht", will ich noch erwidern, aber der Oberkinderpostrat ist von einer Geschwindigkeit, die ich in Zusammenhang mit seinem Unternehmen noch nie erlebt habe. "Das dauert hier bestimmt noch anderthalb Stunden." Rummms - ist die Tür zu.
Draußen im Auto habe ich Marlies dann schweren Herzens erklärt, dass es heute wohl keine neuen Schuhe gibt. Gottseidank hatte sie ja den Hexenschuss und hätte sowieso nicht laufen können.
An der Haustür und auch sonst nie ein Problem
Demnächst lässt sie sich die Schuhe jedenfalls wieder nach Hause schicken.
Wenn ich da die Tür aufmache, ist es dem Paketboten scheißegal, wer ich bin.
Ich könnte ein Handwerker sein, der zufällig hier arbeitet, während die Dame des Hauses zum Einkaufen ist. Unterschrift - Paket - Danke, schönen Tag noch!
Nach einem Ausweis oder einer Vollmacht hat mich noch nie einer gefragt.
Vor ein paar Wochen habe ich bei DHL mal eine "Wunschadresse" angegeben, weil abzusehen war, dass zum Zeitpunkt der angekündigten Zustellung keiner zu Hause sein würde.
Statt wie vorgeschlagen gegenüber im Installationsbetrieb (wo den ganzen Tag hindurch jemand im Büro ist), fand sich das Paket nach längerer Suche schließlich abends bei einer Familie ein paar Häuser weiter die Straße rauf.
Und wenn der Paketbote mich nicht antrifft und das Paket einfach bei einem Nachbarn abgibt, reicht doch auch dessen Unterschrift. Da genügt zur Personalienfeststellung das Klingelschild, da wird noch nicht mal ein Ausweis verlangt, geschweige denn eine Vollmacht.
Da geht es drunter und drüber.
Nur in der Aachener Hauptpost wird wie seit Jahrhunderten korrekt und nach Vorschrift gearbeitet.
|