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Entstehen demnächst Wohnhäuser oder gar ein Ärztehaus auf dem Feld zwischen Düstergasse (li.), Hasselholzer Weg (im Hintergrund) und Amsterdamer Ring (re. hinter den Bäumen)? // Foto: Ulrich Simons |
13. September 2019
Amsterdamer Ring:
ein Rohr, ein Feld und diverse Gerüchte
Die Gerüchteküche steht schwer unter Dampf. "Auf dem Feld an der Düstergasse wird gebaut", hört man aus ungewöhnlich gut unterrichteten Kreisen im Aachener Südwesten. Manche kennen angeblich sogar schon Details: "Da wollen drei Doktoren aus dem Klinikum ein Ärztehaus hinstellen. Derzeit verlegt die STAWAG am Amsterdamer Ring schon die Wasserleitung dafür." Ist ja ein tolles Ding!
Es sind im Grunde zwei Geschichten. Die eine handelt unter anderem von blauen Rohren, einem aufgerissenen und inzwischen zumindest in Teilen wieder tiptop asphaltierten Radweg und einer provisorischen Fußgängerampel über den Amsterdamer Ring. Hinter all dem steckt der Netzbetreiber "Regionetz" (siehe "Stichwort").
Die "Regionetz" erneuert seit dem 11. Juni und voraussichtlich noch bis Anfang Dezember in mehreren Bauabschnitten von der Lütticher Straße 198 über den Amsterdamer Ring bis zur Kreuzung Kronenberg/Hanbrucher Straße eine in die Jahre gekommene Wasserleitung, Durchmesser 30 Zentimeter.
Der erste Bauabschnitt steht kurz vor dem Abschluss; in der zweiten Phase soll es von der Kreuzung Hanbrucher Straße/Kronenberg zurück zur Lütticher Straße gehen, wo die Arbeiten mit der Verlegung kleinerer Versorgungsleitungen von Hausnummer 198 bis 206 enden.
Vom Aachener Wald nach Vaalserquartier
Wichtig ist eigentlich nur, dass diese Geschichte laut Auskunft der STAWAG mit der mutmaßlichen Bebauung des Feldes an der Düstergasse überhaupt nichts zu tun hat.
STAWAG-Sprecherin Eva Wußing teilte mir am 10. September auf Anfrage mit: "Die neue Wasserleitung ist eine Transportleitung. Sie dient nicht der Versorgung des direkten Umfelds. Das Trinkwasser, das dort durchgeleitet werden soll, kommt aus unserem Speicher am Düsbergkopf (Anm.: im Aachener Wald südlich von Diepenbenden) und geht nach Westen, zum Beispiel zum Kronenberg, Richtung Klinikum und nach Vaalserquartier." |
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Stichwort:
"Regionetz"
Unter dem Namen "Regionetz" ist zum Jahresanfang 2018 einer der größten Netzbetreiber in der Region an den Start gegangen, ein Unternehmen mit rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
In ihm sind alle Aufgaben rund um Bau, Betrieb, Netzwirtschaft, Asset- und Zählermanagement in den Bereichen Strom-, Gas-, Wärme- und Wassernetze in der Stadt Aachen, in der Städteregion Aachen sowie in Teilen der Kreise Heinsberg und Düren zusammengefasst. In Aachen gehört auch die Betriebsführung des Abwasserbereiches dazu.
Die "Regionetz" ist eine Kooperation von zwei gleichberechtigten Partnern, was sich auch an der Anteilsverteilung der Gesellschaft widerspiegelt: Die STAWAG, Stadtwerke Aachen Aktiengesellschaft, hält knapp über 50 Prozent an der neuen Gesellschaft, die EWV, Energie- und Wasser-Versorgung GmbH, Stolberg, die übrigen Anteile.
Quelle: www.regionetz.de |
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Für Hausanschlüsse sei die Leitung definitiv nicht geeignet. Die seien im Vergleich zu dem 300er-Rohr vom Amsterdamer Ring eher "Röhrchen". Hätten wir das schonmal geklärt.
Die Bagger sind noch nicht in Anmarsch
Die zweite Geschichte rankt sich um den neuen Flächennutzungsplan 2030 (FNP2030) der Stadt Aachen. Der war erforderlich geworden, nachdem der alte aus dem Jahr 1980 doch ein wenig in die Jahre gekommen war und die Stadt dringend unter anderem neue Siedlungsflächen, aber auch Gewerbegebiete benötigt.
Den Vorentwurf für den neuen FNP gibt es bereits seit 2014. Damals sei die Fläche an der Düstergasse noch nicht als Wohngebiet ausgewiesen gewesen, sagt Stefan Herrmann vom Presseamt der Stadt. Sie wurde irgendwann zwischen 2014 und der ersten Hälfte 2019 auf Vorschlag "von außen" in den Entwurf aufgenommen, der mittlerweile rund 90 dieser so genannten "Prüfflächen" enthält.
Von wem die Idee stammte, ist nicht in Erfahrung zu bringen. "Datenschutz!" sagt die Stadt.
Ausschnitt aus dem Flächennutzungsplan-Entwurf 2030 für die Stadt Aachen. Das Areal an der Düstergasse ist der rote Streifen unmittelbar rechts neben der Bezeichnung L212 für den orange dargestellten Amsterdamer Ring. // Quelle: Geoinformationssystem der Stadt Aachen
Die Düstergasse ist die Grenze. Im aktuellen Landschaftsplan ist das Gebiet westlich des Spazierweges noch als Landschaftsschutzgebiet dargestellt. // Quelle: Geoinformationssystem der Stadt Aachen |
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In einem Punkt kann Stefan Herrmann aber Entwarnung geben: "Es ist keineswegs so, dass da schon die Bagger im Anrollen sind." Und das wird auch wohl noch einige Zeit so bleiben. Denn erst einmal muss der neue Flächennutzungsplan beschlossen werden.
Das soll noch vor der Kommunalwahl im Herbst 2020 geschehen, voraussichtlich im Sommer nächsten Jahres. Wenn der Rat als letztes politisches Gremium der Stadt grünes Licht gegeben hat, muss anschließend die Bezirksregierung in Köln ihren Segen zu dem neuen Kartenwerk geben.
Zahlreiche Eingaben
Was allerdings nicht bedeute, so Stefan Herrmann, dass die Düstergasse dann noch dabei ist, denn: "Es gibt bei der Stadt zahlreiche Eingaben zu dieser Fläche, die jetzt in den Fachabteilungen diskutiert und abgewogen werden." Neue Einwände sind nicht mehr möglich, da die Offenlage des neuen FNP 2030 und damit die Gelegenheit für die Bevölkerung zum Widerspruch abgeschlossen ist.
Denkbar sei aber, dass die Verwaltung dem Rat empfiehlt, die Fläche erst gar nicht als künftiges Wohngebiet in den neuen FNP aufzunehmen. Darüber kann der Rat sich allerdings hinwegsetzen. "Das letzte Wort hat in jedem Fall die Politik", sagt Stefan Herrmann.
Danach, dass das Plangebiet an der Düstergasse vorzeitig aus dem FNP verschwindet, sieht es derzeit allerdings nicht aus. Im Geo-Informationssystem der Stadt findet sich in der Unterabteilung "Dossier" bereits jetzt die städtebauliche Bewertung der 4718 Quadratmeter großen Fläche. |
Darin kommt die Verwaltung zu dem Ergebnis, dass das Gelände zur Wohnbebauung mit Einschränkungen geeignet sei. Wörtlich heißt es: "Durch die zentrumsnahe Lage am Siedlungsrand ist die Fläche insgesamt geeignet. Kritisch ist die Inanspruchnahme eines regionalen Grünzuges." Eine Herausnahme aus dem Beschlussentwurf für den FNP wird nicht empfohlen.
Allerdings weist die Verwaltung in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass das gesamte Areal derzeit noch im aktuellen Landschaftsplan als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen sei, stuft diesen Umstand aber nur als "bedingt erheblich" ein. Empfohlen wird lediglich der "Erhalt der Gehölze an der Düstergasse und am Amsterdamer Ring bei der Erschließung".
(Das komplette Gutachten als PDF-Datei zum Nachlesen finden Sie hier.)
Im übrigen steht derzeit auch der aktuell gültige Landschaftsplan von 1988 zur Überarbeitung und Neufassung an. (Näheres dazu finden Sie hier.)
Demnach soll das Areal an der Düstergasse im neuen Landschaftsplan als geschützter Bereich erhalten bleiben.
Auch die Tatsache, dass eine eventuelle Bebauung in einer Kaltluftentstehungsfläche erfolgen würde, von wo aus die frische Luft durch das Tal des Johannisbaches bis in die Innenstadt strömt, stuft die Verwaltung nur als "bedingt erheblich" sein.
Lediglich die Nähe des Amsterdamer Ringes halten die Stadtplaner für ein "erhebliches" Hemmnis bei der Umsetzung eines Bauvorhabens. Auf der Hälfte der Fläche würden die empfohlenen Lärmwerte laut DIN 18005 nachts um fünf dB(A) überschritten. Maßnahmen zum Lärmschutz seien im Falle einer Bebauung unausweichlich. |
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Die Arbeiten der "Regionetz" an der Wasserleitung am Amsterdamer Ring haben laut Angaben der STAWAG nichts mit eventuellen Plänen für das Gelände an der Düstergasse zu tun. // Foto: Ulrich Simons |
Insgesamt kommt die Analyse zu dem Fazit: "Die Planung widerspricht den Festsetzungen des Landschaftsplanes und ist mit bedingt erheblichen Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Landschaft und Klima verbunden. Erhebliche, jedoch vermeidbare Einwirkungen auf die Gesundheit des Menschen aufgrund der Lärmvorbelastung."
Gleichwohl verpasste die Verwaltung dem Prüfgebiet unter Umweltgesichtspunkten die zweitbeste von vier Noten: "geeignet"
Sollte der gegenwärtig noch nicht rechtskräftige Flächennutzungsplan 2030 an der Düstergasse tatsächlich im nächsten oder übernächsten Jahr Bestandskraft erlangen, würde als nächster Schritt - falls jemand mit einer Bauvoranfrage an die Stadt herantritt - die Aufstellung eines Bebauungsplanes erfolgen. Erst nach dessen Genehmigung könnten dann tatsächlich die Bagger anrollen.
Bei der Stadt rechnet man nicht damit, dass das vor 2025 passiert.
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