Werbung |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Nach einer "Gnadenfrist" von einem Jahr soll am 30. Juni 2020 endgültig Schluss sein.
Nur noch der Sprit ist super An Schütts Tankstelle ist seitdem nur noch der Sprit an der Zapfsäule super. Die Stimmung bei ihm und bei seinen Angestellten ist völlig am Boden. "Wir haben nie damit gerechnet, dass hier mal Schluss ist", sagt er traurig. Vielen seiner Kunden dürfte es ähnlich gehen. Während der 63-jährige Klaus (der mit Nachnamen übrigens "Umlauf" heißt) nach 48 Berufsjahren zwischen Zapfsäulen, Wagenheber und Waschstraße im Februar in Rente geht, würde das Ende des Betriebes seine Kollegin Ruth (55) mit voller Wucht treffen. Am 1. Oktober 1999 war die gelernte Friseurin als Kassiererin an die Tankstelle von Herbert Schütt gekommen - im Juli musste er ihr betriebsbedingt zum 29. Februar 2020 kündigen. Die drei Monate bis zum 30. Juni braucht er noch zum Aufräumen. Seitdem ist "die Ruth" auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Bislang erfolglos. "Wie es aussieht, muss ich zum Arbeitsamt", sagt sie und kämpft mit den Tränen.
Die Letzte von ehemals drei Tankstellen Die Esso-Tankstelle an der Lütticher Straße hat eine lange Geschichte, die irgendwann in den 1960er Jahren begonnen haben muss. Genau ist das nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Selbst alte Stadtpläne geben keinen Aufschluss darüber, wann genau die Tankstelle eröffnet wurde.
Auf Super und Normal folgte Rainer Augat mit Pommes und Majo, nach den Fritten hielt die Bäckerei Töller mit einer kleinen Verkaufsstelle für Brot und Brötchen Einzug. Es blühten Rosen, Tulpen, Nelken in einem Blumenladen und irgendwo dazwischen residierte auch noch für kurze Zeit ein Handarbeitslädchen mit Häkelzubehör und Wolle in dem ehemaligen Kassenhäuschen. Heute steht dort ein ziemlich gelbes Mehrfamilienhaus. Die andere, eine "freie" Tankstelle Richtung Innenstadt, ein paar Meter hinter dem Jüdischen Friedhof am Anfang des heutigen Rokupox-Geländes, gibt historisch nicht soviel her. Die war irgendwann einfach weg. Wenn ich mich nicht irre, war die Tankerei dort eine ganz kuriose Veranstaltung: Von der Straße aus fuhr man über den Bürgersteig auf das Gelände, vorne standen die Zapfsäulen, und wenn man vollgetankt hatte, musste man erst einen Schlenker hinten über den Hof fahren, damit das Auto wieder richtig herum stand. Dann ging es auf der Gegenfahrbahn am Kassenhäuschen vorbei wieder raus auf die Lütticher Straße. Sprit von gestern.
Sprung ins kalte Wasser - mit Folgen Der 64-Jährige ist der letzte in einer Reihe von Pächtern, die an der Lütticher Straße die Autos am Laufen hielten. Ältere Kunden werden sich an Namen wie Wenzel Rossbach (Mitte der 60er Jahre, Bruder des Alemannia-Stürmers und späteren VfB08-Vorsitzenden Matthias "Bub" Rossbach) oder an Manfred Vonderbank erinnern (der später zur Roermonder Straße wechselte). An den Vornamen von Pächter Freude erinnert sich leider keiner mehr - was vermuten lässt, dass der Freude nur von kurzer Dauer war.
Die Esso AG war jetzt nur noch Pächterin des Grundstücks und Besitzerin der Tankanlagen. Die Aufbauten wie Verkaufsraum und Waschanlage gehörten fortan Herbert Schütt.
Esso-Nachfolgerin fühlt sich nicht zuständig Weil sich die Besitzverhältnisse grundlegend geändert hatten, schlossen die Franziskanerinnen von der Heiligen Familie in Mayen, die damals noch das Franziskus-Krankenhaus betrieben, 1999 einen neuen Pachtvertrag mit der Esso AG. Vereinbart wurde eine Laufzeit von 20 Jahren. In dem Vertrag, den die Schwestern am 26. April unterschrieben und die ESSO AG einen Monat später, heißt es in §7 (2): „Bei Beendigung des Mietvertrages wird ESSO auf ihre Kosten die in ihrem Eigentum stehenden Anlagen und Baulichkeiten entfernen und das Grundstück planiert zurückgeben. Werden bei Vertragsende im Bereich der ESSO-eigenen Verkaufs- und Lagereinrichtungen Bodenverunreinigungen festgestellt, die über die vom Vertragspartner im Rahmen des vertragsmäßigen Gebrauchs hinzunehmenden Beeinträchtigungen durch die tankstellenübliche Nutzung hinausgehen, wird ESSO im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorschriften auf ihre Kosten die Sanierung vornehmen.“ Die Tücke steckt wie so oft im Detail. Denn die Rede ist von "in ihrem Eigentum stehenden Anlagen und Baulichkeiten". "Ihrem" ist im vorliegenden Fall Esso. Die Aufbauten, die Herbert Schütt kurz zuvor auf eigene Rechnung erneuert hatte, werden von dieser Formulierung nicht erfasst.
Gibt es doch noch einen Ausweg in letzter Minute? Im vergangenen Jahr übernahm die britische EG Group, in Deutschland als ECHO GmbH auf dem Markt, das gesamte Esso-Tankstellennetz. Esso liefert seitdem nur noch den Sprit. Die ECHO-Juristen schauten angesichts des drohenden Endes in den Mietvertrag und befanden: Für den Abriss seiner Aufbauten ist Herbert Schütt selber zuständig. Ein Unterfangen, das ihn nach eigener Schätzung zwischen 100.000 und 200.000 Euro kosten dürfte.
Und Herbert Schütt ("Ich kann ja überhaupt nichts machen.") sitzt mit gebundenen Händen zwischen allen Stühlen, während die Uhr tickt. Die Marienhaus Holding fühlt sich möglicherweise für ihn nicht mehr zuständig, die Uniklinik noch nicht. Denn die Marienhaus Holding ist nur noch Juniorpartner am Franziskushospital und am 1. Januar 2020 komplett raus. Dass sein Vertrag mit dem Esso-Rechtsnachfolger ECHO GmbH trotz der Kündigung bis 2024 läuft, macht die Sache nicht einfacher.
Uniklinik übernimmt zum 1. Januar 2020 das Franziskushospital Der Anfang vom Ende für das Franziskushospital alter Prägung kam im März 2014, als die Marienhaus Unternehmensgruppe die Uniklink mit ins Boot holte. Die Idee war, die Zukunft von Aachens kleinstem Krankenhaus langfristig zu sichern, das in der Vergangenheit mehr als einmal von der Schließung bedroht war. Danach hielt die Marienhaus-Gruppe 51 Prozent der Anteile, die Uniklinik die restlichen 49 Prozent. Die Neuausrichtung des kleinen Krankenhauses nahm rasch Fahrt auf. Nur zwei Jahre später, im April 2016, ging am Franziskushospital der neue Lehrstuhl für Altersmedizin unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. med. Cornelius Bollheimer in Betrieb. Der Lehrstuhl ist das Herzstück eines neuen Zentrums, das die Uniklinik der RWTH Aachen seitdem gemeinsam mit dem Franziskushospital Aachen aufbaut – mit dem Ziel, erstmals für die Region eine ganzheitliche Altersmedizin anzubieten. Am 1. September dieses Jahres kehrten beide Partner die Mehrheitsverhältnisse um: Die Marienhaus-Gruppe hält nur noch 49 Prozent der Anteile, die Uniklinik ist jetzt mit 51 Prozent beteiligt. Ab 1. Januar kommenden Jahres ist die Marienhaus Holding ganz raus, und das ehemals selbständige Franziskushospital wird eine Außenstelle der Uniklinik. Gut möglich, dass in dem Zusammenhang das Gelände der Tankstelle und der ehemaligen Gärtnerei für Erweiterungen und Neubauten benötigt werden. Auch ein Parkhaus am Morillenhang geistert durch die Gerüchteküche. Derzeit tue sich allerdings nichts in irgendeiner Richtung, versichert Uniklink-Sprecherin Sandra Grootz.
(Noch) kein Konzept und (noch) kein Bauantrag: ein Hoffnungsschimmer Wörtlich teilte sie am 18. September auf Anfrage mit: "Perspektivisch ist eine Nutzung des Grundstückes durch das Franziskushospital geplant, diese wird vom künftigen Medizinkonzept abhängen." Heißt frei übersetzt; Erst wenn wir wissen, was wir dort medizinisch wollen, können wir auch sagen, was wir an welcher Stelle bauen werden. Genau hierin sieht Herbert Schütt die Chance, dass Uniklinik und ECHO doch noch zu einer Vertragsverlängerung in letzter Minute kommen. "Es gibt offenbar noch nicht einmal einen Bauantrag der Uniklinik, und so ein Verfahren kann schnell einmal zwei Jahre dauern. Warum sollte das Grundstück in dieser Zeit ungenutzt brach liegen?" fragt er. Es wären zwei Jahre, in denen die Uniklinik weiter Pacht kassieren und er und ECHO weiter Geld verdienen könnten. "Das würde allen Beteiligten guttun." Am Freitag kam dann ein vorsichtig positiv stimmendes Signal aus der Uniklinik. Auf Anfrage bestätigte Dr. Mathias Brandstädter, Leiter der Unternehmenskommunikation, die Angaben seiner Stellvertreterin Sandra Grootz. Neu war der letzte Satz in seiner Mail: "Natürlich sprechen wir trotzdem gern noch einmal mit Herrn Schütt." Sieht aus, als wäre die Tür noch nicht ganz zu. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Alle Texte und Bilder auf dieser Seite sind urheberrechtlich geschützt. Eine Weitergabe des Links auf diese Seite ist ausdrücklich erwünscht.
© Ulrich Simons |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||