12. Oktober 2019
Grober Unfug:
das "Einbruchsradar" der Polizei
Es dräut die dunkle Jahreszeit, und traditionell kommt das lichtscheue Gesindel aus seinen Verstecken. Mit der gleichen Zuverlässigkeit erfreut uns die Polizei wieder mit ihren Hinweisen aus der Rubrik: "Augen und Ohren auf! - Fenster und Türen zu!"
Um die Brisanz dieser Ermahnungen zu unterstreichen, hat die CDU-Landtagsfraktion vor zwei Jahren den damaligen Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) zu einem fragwürdigen Service im Internet gedrängt. Das "Einbruchsradar" der Polizei sollte - so die CDU - "die bittere Realität in NRW" dokumentieren. Der Jäger ist prompt drauf reingefallen.
Jede Woche mittwochs stellt seitdem auch die Aachener Polizei eine Karte mit den Tatorten der Vorwoche (jeweils von Montag bis Sonntag) als PDF-Datei ins Internet.
Die Daten sind also zwischen drei Tagen und mehr als einer Woche alt, was als erstes die Frage aufwirft, wer auf die Idee gekommen ist, das ganze mit dem Attribut "aktuell" zu garnieren.
Wenn man wollte, könnte man heute sowas nahezu in Echtzeit raushauen. Das wäre "aktuell". Dann könnte ich schauen, ob die Herrschaften noch in meiner Nähe zugange sind.
In der derzeitigen Ausformung frage ich mich dagegen: Was fange ich mit dieser Spielerei an? |
|
|
Oder anders, handlungsorientiert: Wie kann ich auf der Grundlage dieser Daten mein Verhalten, meine Wohnung, mein Haus so optimieren, dass meine Chancen, Opfer eines Einbruchs zu werden, tatsächlich sinken?
Statistik: Das Beispiel mit der Seilbahn
"Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen", soll der dänische Physiker Niels Bohr (1885-1962) mal während eines Vortrages zum Thema Quantenphysik gesagt haben.
Recht hatte der Mann.
Beispiel: Ich stehe mit schlotternden Knien vor der Gondel, und der Seilbahnbetreiber versucht mich zu beruhigen mit dem Hinweis: "Die läuft schon seit 50 Jahren - da ist noch nie was passiert."
Und als ich weiter skeptisch gucke, schiebt er zur Bekräftigung nach: "Und das ist immer noch das erste Tragseil!"
Da kann ich mir dann überlegen, was als nächstes passieren wird: Fährt das Ding noch weitere 50 Jahre unfallfrei, oder müsste sich nicht allmählich mal das statistische Soll erfüllen und die Kabine ... Wir wollen den Gedanken lieber nicht zu Ende führen.
Halten wir fest: Manchmal ist es tatsächlich schwierig, aus Ereignissen in der Vergangenheit Prognosen für die Zukunft abzuleiten.
Eine dürftige Karte und ein ganzes Bündel von Fragen
Genauso verhält es sich mit dem Einbruchsradar. Denn bei der Risiko-Minimierung hilft mir die Karte nicht im geringsten, in der alle angezeigten Wohnungseinbrüche der Vorwoche (inklusive Versuche) mit blauen Häuschen in blauen Kreisen auf dicken blauen Pfeilen dargestellt sind.
Dick mit Absicht - denn eine genauere Darstellung der Tatorte ist nach Angaben der Polizei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich.
Und nun frage ich mich:
• Was fange ich damit an, wenn ich auf der Karte sehe, dass es in meinem Stadtteil offensichtlich zu einer Häufung von Einbruchsdelikten gekommen ist?
• Muss ich hier jetzt besonders vorsichtig sein und den Schlüssel dreimal rumdrehen?
• Kommen die voraussichtlich auch noch zu mir?
• Oder ist der Trupp mit seinem Programm durch, weil die Daten schon mehrere Tage alt sind, und wird hier so bald nicht mehr auftauchen?
• War es vielleicht gar keine organisierte Bande, sondern einer oder mehrere Einzeltäter? Kinder? Jugendliche? Oder ein Junkie auf dem Heimweg, die alle auf die polizeilichen Statistiken pfeifen und entgegen jedweder kriminalistischen Logik vorgehen?
• Müssten nicht vielleicht sogar die Bewohner/innen der bisher nicht betroffenen Straßen besonders wachsam sein, weil die Täter natürlich wissen, dass ihr konzentrierter Arbeitseinsatz in der Vorwoche in einem bestimmten Wohngebiet nicht unbemerkt geblieben ist, und sie sich längst in einen anderen Stadtteil verzogen haben?
Schlussfolgerung aus alldem: Jeden kann es treffen, und jeder ist für seine Sicherheit erst einmal selber verantwortlich.
Einbrecher auf dem Ostfriedhof?
Auch die Bitte der Polizei um Mithilfe bei der Täterermittlung ist ziemlich ambitioniert, weil die Daten zu alt sind, und die Darstellung in der Karte viel zu grob ist. Sie lässt sich noch nicht einmal vergrößern. Außerdem fehlen Tattag und Uhrzeit.
Die daraus resultierende Frage "Haben Sie in den vergangenen acht bis zehn Tagen irgendwann im Radius von 200 Metern um ihre Wohnung verdächtige Beobachtungen gemacht?" könnte ich selbst nach intensivstem Nachdenken nicht beantworten.
Manchmal entbehrt die Kartendarstellung auch nicht einer gewissen Komik. Vorige Woche war zum Beispiel ein Tatort im Ostviertel dermaßen unkenntlich gemacht, dass es aussah, als wären die Einbecher auf dem Ostfriedhof zugange gewesen.
Wer soll denn da irgendwelche Tatverdächtigen beobachtet haben?
Die Leute dort sind alle tot!!!
Die Einbrüche der letzten Septemberwoche. Aus Datenschutzgründen wurde ein Tatort sogar auf den Ostfriedhof verlegt (roter Kreis). // Screenshot: Ulrich Simons |
Stattdessen ein paar nützliche Tipps (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
• Vor dem Verlassen des Hauses oder der Wohnung: Alle Fenster schließen und auch nicht "auf Kipp" stehen lassen. Sowas ist für Profis kein Hindernis.
• Haus- oder Wohnungstür beim Verlassen abschließen. Immer! Auch wenn es nur für einen Sprung rüber zum Nachbarn oder zur Nachbarin ist.
• Es gibt im Fachhandel spezielle Türbeschläge, Schließzylinder und Fenster- oder Türsicherungen für den nachträglichen Einbau, die ein Aufbrechen bzw. Aufhebeln verhindern oder zumindest erschweren.
Ob und wo Sie so etwas brauchen, sagt Ihnen ... nein, nicht die Polizei. Die kommt erst nach den Einbrechern. (Das kann ich hier so frech behaupten, weil ich vor zwei Jahren mal einen Beamten der Kripo zum Sicherheitscheck in unser gerade neu bezogenes Haus einladen wollte und genau diese Antwort bekam. Begründung: Personalmangel.)
Wenn Sie also Tipps brauchen, bevor der Besuch da war, versuchen Sie es zum Beispiel mal hier. Die sind sofort gekommen, und die Arbeit war tadellos.
• Achten Sie auf scheinbar harmlose, geometrische Kratzspuren an Haustür, Briefkasten, Klingelplatte oder Gartenzaun: Es könnten so genannte "Gaunerzinken" sein, die darauf hindeuten, dass Ihr Haus bereits im Visier von Ganoven ist oder war.
• Nachbarn und Hausbewohner sollten aufeinander aufpassen. Ist zwar ein bisschen aus der Mode gekommen, aber nützlich. Sagen Sie einander Bescheid, wenn Sie längere Zeit nicht zu Hause sind.
• Der überquellende Briefkasten und die Tageszeitungen vor der Haustür sind ja inzwischen Klassiker. Sorgen Sie dafür, dass es nicht soweit kommt. Stichwort: Nachbarn (s.o.)
• Täuschen Sie Anwesenheit vor. Es gibt in jedem Baumarkt Zeitschaltuhren, die das Licht ein- und ausschalten, und im Internet oder im örtlichen Elektronikfachhandel kleine Boxen mit roten, grünen und blauen Leuchtdioden (LEDs), die den Eindruck erwecken, hinter dem Vorhang laufe ein Fernsehgerät.
Oder elektronische Hunde mit Radarsensor, die "bellen", wenn sich jemand der Haus- oder Wohnungstür nähert. "Fake Dogs" gewissermaßen. |
|
Klein, aber wirkungsvoll: Der Wachhund in der Dose. // Foto: ELV |
• Ende dieses Monats wird wieder die Uhr zurückgestellt. Dann beginnt die Arbeitszeit der ungebetenen Gäste eine Stunde früher. Denken Sie daran, rechtzeitig Ihre Rollladensteuerung umzuprogrammieren.
• Bewegungsmelder sollten Sie an Stellen montieren, wo die Einbrecher sie nicht - wie kürzlich bei einem Einbruch in Düren - einfach abreißen können.
• Und im Zweifel lieber einmal zuviel die 110 wählen, wenn komische Gestalten um ihr Haus schleichen oder Autos mit fremden Kennzeichen und seltsamen Insassen in ihrem Wohngebiet parken. Vor allem organisierte Banden kundschaften ihre Ziele gerne vorher aus.
Wenn Sie im übrigen wirklich wissen wollen, was rund um das Thema "Blaulicht" in Aachen los ist (und nicht eine Wochen warten wollen, bis die nächste Einbruchskarte fertig ist), schauen Sie mal ins Presseportal der Polizei. (Klick auf das Logo rechts.)
Dafür müssen Sie noch nicht mal Journalist sein.
Da stehen dann auch die genauen Tatorte und Uhrzeiten. |
|
|
|