|
|
Wäre da nicht der Schlamm, könnte man bald zu Fuß hindurch: Weil das "Entlastungsbauwerk" inspiziert und eventuell repariert werden muss, wird der Hangeweiher ab kommender Woche trockengelegt. // Foto: Ulrich Simons |
26. Oktober 2019
Hangeweiher: Hecht, Karpfen & Co.
sitzen auf gepackten Koffern
Die Stadtwerke ziehen den Stöpsel: Weil des Entlastungsbauwerk der Stauanlage (der Öcher sagt: "d'r Übberlauf") gleich neben dem Tretbootverleih überprüft und je nach Ergebnis repariert werden muss, wird ab kommenden Montag der Hangeweiher entwässert. Gut eine Woche dauert es, bis die schätzungsweise 22.500 Kubikmeter (das sind 22,5 Millionen Liter, oder mit Nullen: 22.500.000) durch den Abfluss gerauscht sind. Am Montag drauf kommt dann das "Umzugsunternehmen" und bringt die Fische in Sicherheit.
Dass es gut eine Woche dauert, bis der Hangeweiher soweit leergelaufen ist, dass man die Fische mit der Hand fangen kann, liegt am Durchmesser der Ablaufleitung, erläutert Stawag-Sprecherin Vanessa Grein. Befürchtungen, das Wasser könnte waagerecht aus diversen Aachener Altstadt-Brunnen herausschießen, wenn man den Hahn zu weit öffnet, seien mehr als unbegründet, beruhigt auch Stefan Herrmann vom städtischen Presseamt.
Bei der Stadt hat man viel öfter genau das andere Problem: Dass nämlich plötzlich die Altstadtbrunnen nur noch vor sich hin tröpfeln, weil die alte Leitung vom Hangeweiher in die Stadt wieder an irgendeiner Stelle porös geworden ist und das Wasser im Erdreich verschwindet. Betroffen sind dann zum Beispiel der "Eäzekomp" auf dem Markt, der Hühnerdieb, das Türelüre Lißje, das Fischpüddelchen und der Wehrhafte Schmied.
Und dann geht die große Sucherei los ...
Die kommende Woche steht am Hangeweiher aber zunächst wieder einmal im Zeichen der unerwarteten Fundsachen. Geknackte Tresore und Fahrräder hat man früher schon aus dem Schlamm gezogen, die Frage ist, was diesmal wohl alles dabei ist. |
|
Auch er sprudelt mit Wasser aus dem Hangeweiher: Das Fischpüddelchen am Fischmarkt geht dieses Jahr etwas früher in die Winterpause. // Foto: Archiv Ulrich Simons |
Ab dem 4. November müssen dann die Bewohner umziehen, damit Rotaugen, Rotfeder, Brasse, Schleie, Hecht, Barsch, Karpfen, Karausche, Wels, Zander und Aal nicht irgendwann komplett auf dem Trockenen sitzen.
Vor den Fischen kommen die Muscheln
Das "Umzugsunternehmen" ist der 1. ASV Forelle 1965 e.V. (ASV steht für "Angelsportverein"), der den Hangeweiher seit Mitte der 60er Jahre gepachtet hat. Geschätzte 500 bis 650 Kilogramm Fische werden die Mitglieder der Rest-Pfütze entnehmen und in den Kupferbach-Stausee am II.-Rote-Haag-Weg und in den Westparkweiher umsiedeln. Auch an diesen beiden künstlichen Seen sorgt der ASV Forelle seit Jahren dafür, dass es den Fischen gut geht. Bis auf den einen Tag natürlich, wo die Mitglieder mit der Angel kommen ...
Das so genannte "Abfischen", das oben in einem Satz beschrieben ist, nimmt in der Praxis mehrere Tage in Anspruch und beschränkt sich nicht nur auf die Fische. Tausende großer Teichmuscheln leben im Uferbereich des Hangeweihers und müssen erst mal eingesammelt werden. Die dicksten Vertreter wiegen zwischen 350 und 500 Gramm. "Diese Vielzahl ist ein Indikator für gutes Wasser", erläutert ASV-Vorsitzender Herbert Brandt das Phänomen.
Stichwort
ASV: Die "Forelle" gibt es
nur noch im Namen
Der 1965 gegründete Angelsportverein (ASV) Forelle trägt einen Fisch in seinem Namen, der laut Bestandsliste in keinem der drei vom ASV betreuten Aachener Stauweiher mehr vorkommt.
Vor 50 Jahren war das noch anders, erinnert sich ASV-Vorsitzender Herbert Brandt. Doch ein vor etwa 20 Jahren verabschiedetes Gesetz habe festgelegt: Die Forelle, die aufgrund ihres hohen Sauerstoffbedarfs vorzugsweise in Bächen und Flüssen lebt, ist kein einheimischer Fisch. Seitdem sei es verboten, sie in stehende Gewässer einzusetzen. |
|
|
Hätten die Krähen am Hangeweiher einen Kalender, hätten sie sich die kommende Woche vermutlich rot angestrichen: Die Muscheln stehen auf der Liste ihrer Lieblingsgerichte ziemlich weit oben, so leicht wie in den kommenden Tagen kommt man da sonst nicht ran, und für das Öffnen der Schalen haben sich die cleveren Vögel eine Technik zugelegt, die man nicht für möglich hält, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. (Ich appelliere an Ihre Neugier, das selber herauszufinden.)
Am 4. November geht es dann ab 8 Uhr mit einem Boot raus auf das, was vom See noch übrig ist. Der Wasserstand von durchschnittlich zwei Metern ist dann auf nur noch 60 Zentimeter abgesenkt.
Fische werden mit Strom betäubt
Die Fische werden natürlich nicht mit Haken und Würmchen einzeln herausgebeten, erzählt ASV-Vorsitzender Herbert Brandt, sondern durch Einsatz raffinerter Technik "kampfunfähig" gemacht. Im Boot befindet sich ein Generator, mit dessen Hilfe sich der verwendete Kescher, ein Fangnetz an einer langen Stange, stoßweise unter Strom setzen lässt. |
Alles, was in diesem Moment im Umkreis von einem Meter um den Käscher herum schwimmt, wird (strom-)schlagartig betäubt und muss noch noch eingesammelt werden.
Im Boot steht zur "Zwischenlagerung" eine mit Wasser gefüllte Wanne bereit, für die Fahrt zum Kupferbach-Stausee oder in den Westpark kommen die Fische in 1000-Liter-Transportkübel, in denen sie zusätzlich mit Sauerstoff versorgt werden.
Wenn alle weg sind, ist der Hangeweiher bis auf weiteres "durchgehend geöffnet", und die drei Zuflüsse Kannegießerbach, Paunelle und Klotzweiderbach können ungehindert Richtung Stadt hindurchfließen.
Während die Stawag den Überlauf auf Vordermann bringt, müssen die ausquartierten Fische zusehen, wie sie mit ihren neuen Mitbewohnern im Kupferbach-Stauweiher oder im Westpark-See zurecht kommen.
Und irgendwann naht dann ja auch der Tag der Rückkehr. Wie findet man denn dann die richtigen Fische wieder? |
|
Es gibt schlechtere Ausweichquartiere: Der Kupferbach-Stauweiher im Aachener Stadtteil Diepenbenden. // Foto: Ulrich Simons |
Stawag-Sprecherin Vanessa Grein muss über die Frage lachen: "Da kommen natürlich nicht die gleichen Fische zurück. Wir sorgen nur dafür, dass mengenmäßig der Fischbesatz hinterher wieder stimmt."
Ist das nicht ein bisschen herzlos?
Dass bei der Aktion möglicherweise Fischfamilien und -freundschaften auseinandergerissen werden? Dass sich nach dem Rücktransport alteingesessene Bewohner des Westparkweihers oder des Kupferbach-Stausees plötzlich im Hangeweiher wiederfinden (was ja noch nicht so schlimm ist), aber dass auch umgekehrt ehemalige Bewohner des feinen Hangeweihers den Rest ihres Lebens im Westpark-Weiher verbringen müssen, wo man im Sommer kein Auge zu bekommt?
"Die Fische müssen flexibel sein"
Andererseits ist im Westpark die Lebenserwartung höher, denn während an Hangeweiher und Kupferbach-Stausee regelmäßig die ASV-Angler anrücken und fischen, was die Kormorane ihnen übriggelassen haben, ist der Westpark-Weiher ein reines Aufzucht-Gewässer, das vorzugsweise von Jungfischen bevölkert wird.
Alle drei Jahre kommt die Stawag zum Saubermachen, und dann müssen die Halbstarken unter den Fischen zu den Erwachsenen im Hangeweiher und am II.-Rote-Haag-Weg umziehen.
Vanessa Grein von der Stawag bringt es auf eine ebenso einfache wie schöne Formel: "Die Fische müssen flexibel sein."
Apropos Kormorane: Die stehen zwar unter Naturschutz, sind aber bei den Anglern alles andere als gerngesehen. Derzeit leben alleine am Kupferbach-Stauweiher rund 30 dieser Vögel, und jeder von ihnen vertilgt pro Tag bis zu 1,5 Kilogramm Fisch.
Stichwort
Die alte Paubachleitung
Die mit Bachwasser gespeisten Brunnen in der Stadt werden über die alte Paubach-Druckleitung betrieben, die ihren Ursprung am Hangeweiher hat.
Diese alte Druckleitung geht in Ihrer Existenz bis auf einen Eintrag in das kaiserliche Register zurück. Die Regionetz unterhält die historische Leitung im Auftrag der Stadt und erneuert sie sukzessive in Teilbereichen bei Straßenarbeiten.
Der größte Teil dieser Leitung befindet sich jedoch noch im Ursprungszustand
(Graugussleitung) und ist entsprechend sensibel und störungsanfällig.
Deshalb kommt es auch immer wieder zu Druckschwankungen/Druckverlusten
an den Entnahmestellen (Brunnen), so dass nicht immer alle Brunnen versorgt
werden können. Der Druck in dieser Leitung entsteht rein geodätisch durch das Gefälle bis zur Innenstadt (ohne Pumpen).
Stefan Herrmann / Stadt Aachen |
|
|
Die entstandenen Lücken im Fischbestand zu füllen, gehe richtig ins Geld, berichtet ASV-Vorsitzender Herbert Brandt.
Ein Kilo kleiner Karpfen, "für die Kormorane eine Delikatesse", kostet im Handel 6,50 Euro, bei Aalen sei man mit 24 Euro pro Kilo dabei. Teures Vogelfutter.
Brunnen gehen früher in Winterschlaf
Wegen der Arbeiten am Hangeweiher müssen die von der Paubachleitung (siehe Box links) gespeisten Brunnen in der Altstadt etwas früher als gewohnt in den nächsten Tagen von den Mitarbeitern des städtischen Gebäudemanagements außer Betrieb genommen werden.
Die mit "Netzwasser" (also Leitungswasser) gespeisten Brunnen laufen – je nach Witterung – noch eine Weile weiter, bevor auch sie nach und nach in den „Winterschlaf“ geschickt werden.
Dauerläufer, also völlig unabhängig von frostigen Temperaturen, sind die Brunnen am Elisengarten, vor allem der "Kreislauf des Geldes" am Münsterplatz, der bei Minustemperaturen so herrlich dampft, und Heinz Tobollas "Röhrenbrunnen" an der Bushaltestelle vor dem Neuen Kurhaus.
Diese Brunnen werden mit warmem Thermalwasser versorgt und können daher auch während der Wintermonate weiterbetrieben werden. |
|