Seit mehr als zehn Jahren weiß man bei der Stadt, dass die Tage des Parkhauses Büchel gezählt sind. Ein gescheites Konzept für eine Folgenutzung der 2500 Quadratmeter großen Fläche hat trotzdem immer noch keiner. Ein "Sondierungsverfahren" soll jetzt in nur zwei Monaten die zündende Idee hervorbringen. // Foto: Ulrich Simons |
09. Mai 2020
"STADT MACHEN AM BÜCHEL"
Hat denn keiner eine Idee?
Ein sprachliches Kleinod hat die Stadt Aachen kurz vor dem Wochenende in meinem E-Mail-Postfach platziert: Den Startschuss zur Aktion "STADT MACHEN AM BÜCHEL". In Großbuchstaben.
Ich hab das dreimal lesen müssen, bevor ich geschnallt hatte, was die überhaupt wollen. Haben die jetzt ihr Baustellen-Informationssystem auf "einfache Sprache" umgestellt? "Stadt machen am Büchel" - Ja, was denn? Kanalbau? Straßenreparatur? Aufhängen der Weihnachtsbeleuchtung? Egal, dann fährt man eben da nicht mehr lang, bis die Meldung kommt: "Stadt haben fertig am Büchel".
"STADT MACHEN AM BÜCHEL" - was soll das bedeuten? Ein bisschen klingt es wie die Beschwerde eines des Deutschen nicht ganz mächtigen Zeitgenossen, der beim hundehaltenden Nachbarn klingelt, mit dem Zeigefinger auf den Rasen vor seinem Haus deutet und sich beschwert: "Hund machen in Vorgarten!!!".
Wie komme ich jetzt auf die Geschichte mit dem Sportlehrer, der die Unterrichtsstunde mit den Worten beginnt: "Heute machen wir Dehnübungen!"
Meldet sich ein Schüler von hinten: "Das heißt DIE Übungen!!"
Ist ja auch egal, zurück zum Büchel.
Warum nicht doch eine Tiefgarage?
Wie man sich vielleicht erinnert, begann die Stadt bereits kurz nach dem großen Meteoriteneinschlag und dem darauf einsetzenden Dinosaurier-Sterben mit Überlegungen, an die Stelle des heruntergekommenen DriveIn-Pissoirs am Büchel etwas Schönes, Neues hinzusetzen.
Dumm ist nur, dass bisher immer noch keiner weiß, was das sein soll. Sicher ist nur: Im kommenden Jahr wird das Parkhaus abgerissen.
Vielleicht wäre es doch keine schlechte Idee gewesen, dort vor allem anderen eine neue Tiefgarage zu planen. Die hätte man durch einen kleinen Tunnel unterm Bädersteig von der Peterstraße her erschließen können, zumal in Zeiten von Corona die ASEAG deutlich an Beliebtheit verloren hat und man sich im eigenen Auto irgendwie geschützter fühlt.
Der Rundkurs um Klenkes-Denkmal, Mayersche Buchhandlung und durch die Kleinkölnstraße hätte sich damit jedenfalls erledigt, die betroffenen Straßen könnte man dann zu Fußgängerzonen machen. Parkplätze für die Anwohner gäbe es in der neuen kombinierten Quartiers- und Tiefgarage.
Und komme mir keiner mit den Quellzügen unter der Bodenplatte des Parkhauses. Sowas kann man hübsch verrohren oder auf der unteren Tiefgaragenebene unter einer dicken, befahrbaren Glasplatte sichtbar durchs Parkhaus fließen lassen. Schon hätte man die erste Sehenswürdigkeit.
Gut, die Idee ist vielleicht ein bisschen schräg, aber auch nicht wesentlich bekloppter als der Gedanke, demnächst in der Aachener Innenstadt kein einziges gescheites Parkhaus mehr zu haben. Bevor der Proteststurm losbricht: Die Rede war von "gescheit".
Ich sage nur: Maastricht, Vrijthof. Da können Sie sich ansehen, wie man urbanes Leben und Mobilität unter einen Hut bekommt. 447 Parkplätze unter einem der zentralsten Plätze der Stadt. Hat schon seine Gründe, dass die Aachener da so gerne hinfahren.
Nach allen Seiten offen
„Heute beginnen wir für das Altstadtquartier Büchel mit einem Sondierungsverfahren“, teilte Oberbürgermeister Marcel Philipp jedenfalls am Freitag mit.
Und die städtischen Beigeordnete für Planung, Bau und Mobilität, Wohnen, Wissen und Wiese, Frauke Burgdorff, erklärte: „Gesucht werden Stadtmacherinnen und Stadtmacher, Personen und Unternehmen, die an diesem besonderen Ort in Zukunft investieren oder mieten und Verantwortung übernehmen wollen.“
Das Büchel-Team suche Menschen und Institutionen, die ihre guten Ideen realisieren wollen, die Lust auf Qualität und urbane Vielfalt haben, die ihre Zukunft in Kooperation mit den Nachbarinnen und Nachbarn gestalten wollen.
Ich übersetze das mal in Schlichtdeutsch: "Wir wissen zwar immer noch nicht, was wir nach dem Abriss des Parkhauses wollen, aber das mit ganzer Kraft." Im Polizeibericht heißt es dann immer: "Wir ermitteln in alle Richtungen."
Preiswerte Lösung für die Stadt
Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn viele solcher "Ideenwettbewerbe" erlebt. Für die Teilnehmer sind sie meist Verarsche, weil ihre oft guten Ideen am Ende bis zur Unkenntlichkeit zerpflückt und neu zusammengesetzt werden.
Wenn sie Glück haben, bekommen die drei Erstplatzierten eine kleine Aufwandsentschädigung, treten im Gegenzug aber für einen lächerlichen Betrag sämtliche Rechte an ihrem Entwurf an die ausschreibende Kommune ab. Urheberrechtliche Ansprüche lösen sich spätestens an dieser Stelle in Luft auf.
Die Stadt hat hingegen nur Vorteile: Sie bekommt zu einem Schnäppchenpreis viele gute Vorschläge, und am Ende kann sich die Politik die besten Rosinen aus dem Ideen-Kuchen herauspicken. Die basisdemokratische Stadtplanung am Beispiel Büchel wird auf diese Weise viel preiswerter als wenn man die Aufgabe einem professionellen Planungsbüro übertragen hätte.
„Wir wissen: Der Büchel wird eines der wichtigen und kniffligsten Projekte der Aachener Innenstadtentwicklung. Damit es gelingen kann, müssen viele Aachenerinnen und Aachener mitgestalten, mitinvestieren, mitmachen!“, so Burgdorff weiter. Stadterneuerung als Laientheater.
Wie war das noch mit den vielen Köchen und dem Brei?
"Machen" hat am Büchel eine lange Tradition
"STADT MACHEN AM BÜCHEL": Da haben schon viele gemacht, meistens in die Ecken, das konnte man sogar riechen, oft stank es wie die Pest. Die ersten, die dort gemacht haben, waren übrigens die Römer, die dort ihre City-Latrine hatten.
In Oberhausen haben sie auch vor nicht allzu langer Zeit was "gemacht". Das hieß dann "Neue Mitte", ein Begriff mit Strahlkraft, hinter dem sich mindestens die halbe Stadt versammeln konnte.
Aber so ist Aachen eben.
"Projekt Neue Altstadt" hätte man das Vorhaben nennen können. Oder "Altstadtquartier Büchel 2.0" oder "Upgrade Büchel". Mein Favorit: "JEKAMIMA AM BÜCHEL". JEder KAnn MItMAchen. Wäre alles besser gewesen als dieses holperige "STADT MACHEN AM BÜCHEL".
Was auffällt: Bisher ist in den Medien immer nur von den "schwierigen und langwierigen Abrissarbeiten" für das Parkhaus die Rede. Ich tippe mal auf mindestens zwei Jahre Dreck, Lärm und Lkw-Verkehr in diesem winkeligen Stückchen Altstadt.
Danach kommt dann der Neubau, sofern nicht Feldhamster oder alte Römer die Planung wieder durcheinanderwirbeln. Mein Tipp: Vom Beginn des Abrisses 2021 an gerechnet bis zu dem Augenblick, an dem am Büchel wieder alles rund läuft, werden minimum fünf, eher zehn Jahre vergehen.
Für die 2500 Quadratmeter Brache zwischen Abriss und dem Baubeginn von was auch immer hätte ich auch noch eine Idee: Packt doch da die restlichen 14000 Fahrradbügel aus dem Radentscheid drauf, dann ist das Thema wenigstens vorübergehend mal vom Tisch.
Das Sondierungsverfahren läuft bis zum 30. Juni 2020. Die Website mit den Teilnahmebedingungen ist unter www.buechel-aachen.de ab sofort online.
ULI MACHEN WOCHENENDE.
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