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Ulrich Simons

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Redakteur (1987 bis 2019)
Fotojournalist (seit 1976)
Letzter Blogger vor der Grenze (ab 2019)

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Radler im Wald

Geht auch, macht aber nicht soviel Spaß. Damit es nicht beim Schieben bleibt, bietet die Stadt von Zeit zu Zeit kostenlose Fahrradkurse für erwachsene Anfänger oder Wiedereinsteiger auf dem Verkehrsübungsplatz ("Verkehrskindergarten") an der Hohenstaufenallee unter Leitung eines professionellen Fahrradtrainers an. // Symbolfoto: iStockpoto / Shrinosov

 

06. Juni 2020

Fahrradtraining im Zwergenland:
Nervenkitzel zwischen Plastikhütchen

"Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr", behauptet der Volksmund. Doch es gibt Ausnahmen. Manches, was Hänschen nicht gelernt hat, kann Hans später immer noch nachholen. Fahrrad fahren zum Beispiel.

Ist derzeit schwer angesagt, könnte in den nächsten Jahren in Aachen nach dem Radentscheid noch schöner werden als ohnehin schon, dumm nur: Meine letzte Radtour ist mindestens 20 Jahre her. Das gute Stück, ein solides Trekking-Rad mit 21 Gängen, im Juli 1995 inklusive Bügelschloss für heute unvorstellbare 690 Mark (!) bei Guido Mehlkopf ("Bicycle") in der Mauerstraße erstanden, verstaubt seit vielen Jahren ungenutzt in der Garage.

Wäre ja keine schlechte Idee, zum "Silberjubiläum" nochmal aufzusatteln. Aber erst mal in die Werkstatt damit. Schon wegen der Bremsen. Rund 100 Kilo (Fahrräder waren damals viel schwerer als heute) wollen schließlich auch wieder zum Stehen gebracht werden. Guido Mehlkopf ist erfreulicherweise immer noch da.

Zwei Tage und mehrere Euro später strahlt das Bike wie neu. Schläuche und Decken waren nach 25 Jahren vom Stehen porös geworden, die Felgenbremsen haben neue Züge und Beläge, auf Kette und Zahnrädern glänzt frisches Öl, die Schaltung hat Guido Mehlkopf fein eingestellt, der kraftraubende Seitenläufer-Dynamo am Hinterrad hat seinen Platz geräumt - im Vorderrad werkelt jetzt ein Nabendynamo, und Standlicht habe ich neuerdings auch. Es kann losgehen.

Von wegen.

Nicht nur das Fahrrad ist inzwischen 25 Jahre älter geworden. Das wird mir schlagartig klar, nachdem ich an einem der nächsten Abende auf dem menschenleeren Spazierweg im Johannistal mit einiger Anstrengung das Bein über den gefühlt viel zu hohen Sattel gewuchtet habe.

Wenn es über die folgende halbe Stunde etwas Positives zu erwähnen gibt, dann allenfalls dies: Ich bin nicht umgefallen. Aber sonst? Katastrophe. Wackelpeter.

 

Die meisten sind mit dem Auto gekommen

An einem schönen Spätnachmittag Ende Mai biege ich mit meinem runderneuerten Velo leicht eckig auf den Übungsplatz der Verkehrswacht an der Hohenstaufenallee ein. Da außer mir noch weitere Fahranfänger erwartet werden, hat man vorsichtshalber beide Flügel des Gittertores geöffnet.

Dr. Stephanie Küpper, der Kopf hinter der Kampagne "FahrRad in Aachen", hatte mir im April zwecks Veröffentlichung eine Übersicht über das diesjährige Programm geschickt, und dort wurden auch mehrere Fahrrad- und Pedelectrainings für Erwachsene angeboten.

Das ist nachvollziehbar, denn die Stadt hat an verunfallten Radfahrern genauso wenig Interesse wie die Lufthansa an Passagieren mit Flugangst. Ich beschließe, mir das mal vor Ort anzugucken, zumal der Preis geradezu sensationell ist: 0,00 Euro.

Wir sind sieben, stelle ich fest, als ich meinen fahrbaren Untersatz abgestellt habe. Die meisten sind mit dem Auto gekommen und erhalten Helm und Übungs-Fahrrad leihweise aus der Verkehrswacht-Garage.

  Logo Radfahren

Altersmäßig steht der Kurs inklusive "Fahrlehrer" Holger Sievers knapp vor dem, was man in Corona-Zeiten eine "Risikogruppe" nennt. "Die jüngeren Leute, vor allem die, die es nötig hätten, kommen erst gar nicht", erzählt mir der Fahrrad-Coach später.

Und noch etwas fällt auf: Wir sind zwei Männer und fünf Frauen. "Frauen trauen sich eher, ihre Defizite zuzugeben", hat eine Journalistenkollegin beobachtet. "Männer fahren lieber alleine in den Wald und kommen mit blutigen Knien zurück."

 

Erstaunliche Bandbreite des Unvermögens

Die Vorstellungsrunde im Stuhlkreis unterm Baum offenbart eine erstaunliche Bandbreite des Unvermögens.

"Ich kann überhaupt nicht Rad fahren", eröffnet Christa (alle Namen geändert) die Runde.

Martin klagte über Probleme mit dem Gleichgewicht.
"Und wie bist Du dann mit dem Rad hierher gekommen?"
"Ich hab's geschoben."

Schild Radfahrer absteigen

 

"Das ist wie bei den anonymen Alkoholikern", kommentiert eine Kursteilnehmerin. Allgemeines Gelächter.

Maria ist vielleicht die Mutigste von allen. Sie möchte nach einem Unfall wieder aufs Fahrrad und scheint irgendwie das Pech magisch anzuziehen. Kinder, Hunde, jugendliche Fußgänger mit Musik im Kopf und Knopf im Ohr - was ihr schon alles vors Bike gelaufen ist, erlebt manch anderer in seinem ganzen Radfahrerleben nicht.

Holger Sievers (52) hört sich all die Leidensgeschichten geduldig an. Der ehemalige Radprofi, der zu Zeiten von Dietrich "Didi" Thurau, Jan Ullrich und Lance Armstrong in die Pedale trat, ist vor allem Radsportfans noch ein Begriff. Doch die sind heute offenbar nicht anwesend.

 

Handfeste Tipps von einem Mann mit Vergangenheit

So haben wir nicht den Hauch einer Ahnung, welchen "Kracher" die Stadt Aachen da im vergangenen Jahr als Instruktor an Land gezogen hat: Vier Mal wurde Holger Sievers beim RSC in seiner Heimatstadt Nienburg/Weser Deutscher Mannschaftsmeister (1990, 1992, 1993 und 1997), ehe er zu den Profis wechselte.

1991 siegte er als Amateur beim legendären Radrennen "Rund um den Henninger Turm" in Frankfurt, 1996 gewann er den höllisch schweren Ötztaler Radmarathon, 2005 landete er (diesmal bei den Profis) am Henninger Turm auf Platz 8.

Im Sommer 2018 wurde er beim Duathlon im dänischen Odense Weltmeister in seiner Altersklasse. Zehn Kilometer Laufen, 34 Kilometer Rad fahren und danach nochmal sechs Kilometer Laufen schaffte er in 1:46:42 Stunden. Alle Achtung!

Inzwischen lebt der ehemalige Radprofi in Stolberg-Vicht und betreibt seit 2012 in Aachen seine "Cycling-Academy".

Hier betreut er Hobbysportler und Rad-AGs an Schulen, bietet Radsicherheitstrainings an, veranstaltet Firmen-Events und begibt sich von Zeit zu Zeit tapfer ins Tal der fahrradtechnisch Ahnungslosen. So wie heute bei uns.

Das ist in etwa so, als würde Bill Gates einen Computerkurs für Anfänger bei der VHS leiten.

Und wir sitzen da und wundern uns nur, wie der Profi sein Mountainbike fast zirkusreif durch die engen Sträßchen des "Verkehrskindergartens" zirkelt.

 

Holger Sievers

Holger Sievers im August 2006 vor dem Start der Rothaus Regio-Tour. // Foto: Alex Anlicker

Holger Sievers lässt die Runde erst einmal im sicheren Plastikgestühl verharren und widmet sich der Theorie. Listet auf, was ein verkehrssicheres Fahrrad laut Straßenverkehrsordnung alles haben muss. Erklärt den Unterschied zwischen Scheiben- und Felgenbremsen. Zeigt, wo man auf dem Reifen Informationen zum richtigen Luftdruck findet. Gibt Tipps zur Beleuchtung. Demonstriert die richtige Höhe und Ausrichtung von Sattel und Lenker. Führt vor, wie man seinen Helm richtig einstellt und unterm Kinn verzurrt. Und verrät auch noch, wie man am besten seine Schnürsenkel verstaut, damit sich die Strippen nicht während der Fahrt in den Pedalen verheddern.

Und dann erklärt er uns noch, wo man als Radfahrer in der Stadt überhaupt fahren muss, soll, kann und darf.

Am Ende kommt mir der Verdacht, dass es nur deshalb so viele Autofahrer gibt, weil das nicht halb so kompliziert ist wie Rad fahren.

 

Wie im richtigen Leben, nur viel kleiner

Schließlich geht es dann auf die lang erwartete "Einführungsrunde". Martin bekommt erst einmal ein Laufrad ohne Pedale, um sich langsam an das Thema "Balance" heranzutasten. Es dauert nicht lange, da sitzt auch er auf einem "richtigen" Fahrrad.

Kreisverkehr

 

Der 8000 Quadratmeter große "Verkehrskindergarten", den die Verkehrswacht auf dem städtischen Areal bereits seit dem 25. April 1959 betreibt, ist eine geniale Erfindung. Alles ist wie im richtigen Leben, nur viel kleiner. Fahrradtraining im Zwergenland.

Da gibt es Ampelkreuzungen, "richtige" Einbahnstraßen und solche, die für Radfahrer auch in Gegenrichtung freigegeben sind, es gibt Haupt und Nebenstraßen, Stoppschilder, Rechts-vor-Links-Einmündungen, dicke weiße Linien auf der Fahrbahn, an denen man das Bremsen üben kann, Fahrspuren für Linksabbieger und sogar einen Kreisverkehr, der etwas tricky zu fahren ist, weil er zu einer Seite hin ein bisschen "hängt".

Bis man das begriffen hat, wundert man sich als Radfahrer bei jeder Runde, dass man immer an der gleichen Stelle schneller und aus der Mitte an den Rand herausgetragen wird.

Die Sache beginnt Spaß zu machen. Wer persönlichen Betreuungsbedarf hat, findet in Holger Sievers einen stets aufmerksamen Zuhörer und qualifizierten Ratgeber.

Es dauert nicht lange, da zaubert Fahrlehrer Sievers die erste Schikane aus dem Rucksack. Gut 20 bunte Plastikhütchen, die man im Notfall auch mal überfahren kann, ohne gleich hinzufallen, baut er zu einer schmalen Gasse auf. Durchfahren bitte, Spur halten.

 

Spielerische Elemente mit ernsthaftem Hintergrund

Was so spielerisch anmutet, hat einen ernsthaften Hintergrund: Im richtigen Radfahrerleben rauscht nicht selten (z.B. in der Oppenhoffallee) links der Verkehr vorbei, und rechts muss man ständig mit einer sich öffnenden Autotür rechnen. Da sollte man sich nicht auch noch aufs Spurhalten konzentrieren müssen.

Und wenn trotzdem plötzlich eine Tür aufgeht? Wieder kommen die Hütchen zum Einsatz, und schon sind wir bei Lektion 2: Slalomfahren. Sieht auch einfacher aus als gedacht, wenn ein Profi die Übung vormacht.

Holger Sievers zeigt dann noch, wie man mit dem Vorderrad links am Hütchen vorbeifährt und das Hinterrad rechts vorbeirollen lässt (am nächsten Hütchen dann genau andersherum), aber damit bin ich im Moment noch etwas überfordert. Vielleicht beim nächsten Mal.

 

Pylon, umgekippt

So geht das zwei Nachmittage lang, und wie anstrengend das alles ist, merkt man spätestens abends, wenn man ziemlich groggy von der ganzen Überei wieder zu Hause gelandet ist.

Wir erfahren, dass man sich nicht nur das Fahren durch die Hütchen-Gasse, sondern vor allem das Fahren von Kurven dadurch erleichtern kann, dass man dorthin schaut, wo man mit dem Rad hin möchte. Und dann kommt der "Zahlentrick", mit dem uns Holger Sievers den Schulterblick nach links und rechts üben lässt.

Außerdem: Wenn Ihnen demnächst in Aachen mal eine Radfahrerin oder Radfahrer auffällt, der entgegen den allgemeinen Gepflogenheiten vor dem Abbiegen tatsächlich noch Handzeichen gibt, stammt er vermutlich aus Holger Sievers' Fahrschule. Auch das haben wir gelernt.

 

Die Zugabe: Fahren und Bremsen auf Schotter

Wer mag, mit dem fährt Holger Sievers am Ende des zweiten Tages sogar noch hinaus auf den Schotter-Parkplatz am Hangeweiher. Dort kann man sich dann ganz vorsichtig und unter Anleitung an das ungewohnte Terrain herantasten und die Erfahrung machen, dass (Kurven-)Fahren und vor allem Bremsen auf losem Untergrund ganz andere Gesetze haben als auf der Straße.

Schaden kann sowas nicht. Denn selbst auf den asphaltierten Wegen im Aachener Wald ist man nie vor Überraschungen in Form von Blättern, Ästchen, Sand und Kies sicher, so dass man höllisch aufpassen muss, in Kurven und beim Bremsen nicht wegzurutschen.

Als beim Verlassen des Übungsgeländes der Blick auf meinen Fahrradcomputer fällt, stehen 6,12 Kilometer auf der Uhr. Am Vortag waren es knapp 5,5 Kilometer gewesen. Das merkt man noch Tage später an Stellen, die man seit Jahren nicht mehr gespürt hat ...

 

"Stützräder bringen nichts"

Alle sind an den zwei Tagen deutlich besser geworden. Angeführt von Christa, die an den beiden Nachmittagen eine ganz erstaunliche Wandlung von der Fußgängerin zur Radfahrerin vollzogen hat.

Und Martin (der mit dem gestörten Gleichgewicht) ist am Ende sogar im Sattel nach Hause geradelt. Stützräder, wie am ersten Tag noch von ihm vorgeschlagen, hat er nicht gebraucht.

"Die bringen nichts", hat ihm Holger Sievers erklärt. "Weil das Rad in der Kurve nach innen kippt und der ungeübte Radfahrer versucht, die Neigung mit dem Oberkörper auszugleichen." Ergebnis später: Eine völlig falsche Kurventechnik.

 

 

Die nächsten Termine (Anmeldung erforderlich):
Montag, 15. Juni, und Dienstag, 16. Juni.
Montag, 14. September, und Dienstag, 15. September, jeweils von 16 bis 19 Uhr

Weitere Informationen und verbindliche Anmeldung bei:
Stadt Aachen
Dr. Stephanie Küpper
Kampagne „FahrRad in Aachen“
Tel: 0241 432-6133
fahrrad-in-aachen@mail.aachen.de

 

 

Freie Übungszeiten im "Verkehrskindergarten"

Auch in diesem Jahr bietet die Verkehrswacht Aachen wieder freie Übungszeiten auf dem Schulungsgelände an der Hohenstaufenallee 3 an. Jung und Alt können hier das Roller-, Laufrad- oder Fahrradfahren im geschützten Raum üben.
Fahrzeuge und Helme sollten mitgebracht werden, werden aber auch von der Verkehrswacht zur Verfügung gestellt.

Standardübungszeit ist jeden 2. und 4. Montag (außer an Feiertagen) in den Monaten April bis Oktober von 15 bis 17 Uhr.
Die nächsten Termine: 08. und 22. Juni, 13. und 27. Juli, 10. und 24. August, 07. und 21. September und 12. und 19. Oktober (wegen der Herbstferien).

Rückfragen unter info@verkehrswacht-aachen.de oder Tel.: 0241 72433

WICHTIGER HINWEIS: Bevor Sie, so wie ich heute (22. Juni), vor dem verschlossenen Tor stehen, schauen Sie bitte vorsichtshalber auf der Seite der Verkehrswacht im Internet nach, ob das freie Fahren auch tatsächlich stattfindet.

 

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© Ulrich Simons
Redakteur (1987-2019) - Fotojournalist - Blogger

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