
Grafik: Stadt Aachen |
28. September 2020
Kommentiert
Zahlenspiele in der Wahlnacht:
Haben die Grünen
sich zu Tode gesiegt?
Am Tag danach bin ich immer noch begeistert über dieses Zitat der neuen Oberbürgermeisterin vom Wahlabend:
"Ich bin überglücklich, dass es jetzt wirklich diese starke Basis gibt."
Starke Basis? Echt?
Rechnen wir mal nach: In Aachen waren am Sonntag 192.435 Wählerinnen und Wähler zur Stimmabgabe aufgefordert. Von der Einladung zur OB-Stichwahl machten allerdings nur 80.220 (41,69 Prozent) Gebrauch.
Das auf den ersten Blick "sensationelle" Wahlergebnis von 67,37 Prozent der Stimmen für Sibylle Keupen bezieht sich daher nicht auf die Gesamtzahl aller Wahlberechtigten, sondern nur auf die Anzahl der abgegebenen Stimmen, und das waren in ihrem Fall 53.685.
Setzt man diese 53.685 Stimmen in Relation zur Gesamtzahl der Wahlberechtigten (192.435), dann sind das magere 27,898 Prozent, oder anders formuliert: Hinter Sibylle Keupen als Oberbürgermeisterin steht nur ein gutes Viertel der Aachener Wählerschaft.
Die verbleibenden 112.215 Wahlberechtigten (immerhin 58,31 Prozent) sind zum zweiten Urnengang erst gar nicht mehr angetreten.
Soviel zum Thema "starke Basis".
Aber den 37.436 Unterzeichnern des Radentscheids hat man ja auch eingeredet, sie seien eine repräsentative Mehrheit.
Wie geht es weiter, wenn keiner mit den Grünen will?
Was mir bisher auch ein bisschen bei den ganzen "Wer-mit-wem?"-Betrachtungen nach der Ratswahl fehlt: Was machen die Grünen eigentlich, wenn weder die CDU (24,81 Prozent) noch die SPD (18,33 Prozent) als Juniorpartner mit in eine Koalition wollen?
Der unterlegene Oberbürgermeisterkandidat der CDU, Harald Baal, hatte schon in der Wahlnacht von "Oppositionsarbeit" gesprochen, bei der SPD steht die Entscheidung noch aus. Doch warum sollte sie für die ungeliebten Mitbewerber den Steigbügelhalter spielen?

Grafik: Stadt Aachen |
Schauen wir uns die Sitzverteilung an, ziehen die Grünen mit 20 Sitzen in den neuen Stadtrat ein, die abgewählte schwarz-rote Koalition kommt zusammen auf 25 Sitze.
Die Mehrheit liegt angesichts von 58 zu vergebenden Ratssitzen bei 29 + 1 Sitz.
Das heißt: Den Grünen fehlen zehn Stimmen zur Mehrheit, dem schwarz-roten Lager dagegen nur fünf. Die drei Stimmen von der FDP werden eher bei Schwarz/Rot landen als bei den Grünen, dann fehlen der alten Rathaus-Truppe nur noch zwei.
Für die Grünen dürfte es dagegen viel schwieriger werden, die erforderlichen Stimmen auf den Einzelsitzen zusammenzubekommen. Einfaches Durchregieren sieht anders aus.
Wenn CDU und SPD sich einig sind, können sie den Wahlsiegern das Leben richtig schwer machen und die Grünen nach allen Regeln der Kunst ausbremsen.
Nicht auszuschließen, dass die Grünen sich mit ihren 34,08 Prozent zu Tode gesiegt haben.
Sie haben es nur noch nicht gemerkt.
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