13. Januar 2021
"In der Tat war der Empfang sehr freundlich. Und man muß lobend erwähnen, daß er überhaupt und dann auch so kurzfristig stattgefunden hat.
Man wurde nicht müde zu betonen, wie wichtig unsere Beteiligung und Engagement seien. Allerdings wird man das dumme Gefühl nicht los, dass dies feigenblattmäßige Worthülsen sind, um uns ein wenig einzulullen.
Eins wurde nämlich ganz deutlich (man kann das auch sehr schön bei Herrn Simons nachlesen): Frau Keupen und ihre Verwaltung sind beseelt von einer Mission. Oder besser: von IHRER Mission, die ich einmal unter MOBILITÄTSWENDE/KLIMASCHUTZ grob, aber sicher nicht unpassend, zusammenfassen möchte. Missionare zeichnen sich ja immer durch einen besonderen Eifer und eine sie antreibende Vision aus – ggfls. auch ohne Rücksicht auf Verluste.
Besonders deutlich wurde dies, als Herr Müller (Abteilungsleiter Verkehrsplanung und Mobilität) über den bereits erfolgten Umbau der unteren Lütticher Straße und die damals beschlossenen Maßnahmen aus dem Jahr 2013 referierte. Man hatte den Eindruck, Herr Müller spräche da über graue Vorzeiten, als noch die Altvorderen in ihrer naiven Unwissenheit uns mit ihren suboptimalen Lösungen den Weg in eine bessere Zukunft verbaut (!) hätten. Unmittelbar daran schloss sich Frau Keupen mit ihrer unerschütterlichen Gewissheit an: „Wir wollen Dinge machen, die auch in 30, 40 Jahren noch modern sind.“
Ich habe dann ein wenig lächelnd eingewendet, daß Herr Müller eben die gerade einmal sieben Jahre alte Planung als veraltet und überholt dargestellt hat, und Frau Keupen nun meint, die aktuelle Planung würde 30 bis 40 Jahre Bestand haben. Das erschien mir dann doch ein wenig utopisch. Frau Keupen gab zu, daß das durchaus ambitioniert sei.
Bisweilen gingen da auch die Begrifflichkeiten ein wenig durcheinander: die nächste Woche anstehende BürgerINFORMATION wurde als BürgerBETEILIGUNG bezeichnet.
Herrn Simons Fazit „Im Ton durchaus freundlich, in der Sache wenig Bewegung“ kann ich also nur zustimmen. Positiv ist sicher zu erwähnen, dass der Planungsprozess jetzt nicht so forsch läuft, dass nächste Woche die Bagger anrücken werden (das wird wohl eher 2022). Auch wird es (im/nach dem Sommer?) eine Anliegerversammlung geben – aber auch das wird wohl eher ein lästiger Pflichttermin als ein konstruktiver Dialog werden.
Wir müssen also dran bleiben und einen langen (!) Atem haben."
Nochmal zum Nachrechnen
Bei der Kommunalwahl am 13. September 2020 holten die Grünen 34,08 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei der OB-Stichwahl kam Sibylle Keupen auf das ihrer Meinung nach sensationelle Ergebnis von 67,37 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei der Ratswahl bei 53,39 Prozent, bei der OB-Wahl bei 41,69 Prozent.
Heißt für die Ratswahl in Zahlen: Von 192.502 Wahlberechtigten gaben 34.712 Wählerinnen und Wähler den Grünen ihre Stimme. In Prozent, bezogen auf die Gesamtzahl der wahlberechtigten Aachenerinnen und Aachener, waren das demnach nicht 34,08, sondern nur 18,03 Prozent, die sich für die Grünen entschieden.
Ähnlich bei der OB-Stichwahl: Hier machten von 192.435 Wahlberechtigten 53.685 Wählerinnen und Wähler ihr Kreuzchen bei Sibylle Keupen, was einem Anteil von 27,89 Prozent an der Gesamtzahl der wahlberechtigten Aachener über 18 entspricht.
Anders formuliert: Mehr als vier von fünf Aachener*innen haben den Grünen eben nicht den Auftrag zur Mobilitätswende erteilt, und hinter Sibylle Keupen steht nur jede(r) dritte bis vierte Aachener*in. Das "sensationelle" Ergebnis kommt nur zustande, wenn man ausblendet, dass von zehn Wahlberechtigten nur vier überhaupt zur Wahl gegangen sind.
Aus 18,03 bzw. 27,89 Prozent der Wählerstimmen den Auftrag zur kompletten Umkrempelung des Aachener Straßenverkehrs unter weitgehender Vertreibung der Autofahrer*innen herzuleiten, zeugt von grandiosem Selbstbewusstsein unter weitgehender Missachtung der Realität.
Vielleicht erinnert sich vor allem die SPD doch noch des Wählerauftrags, wenn das Thema demnächst wieder in die Ausschüsse kommt. Wenn weiterhin gilt: "Wer Rot gewählt hat, bekommt Grün", kann man sich diese Partei in Zukunft schenken. |