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Ulrich Simons

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Redakteur (1987 bis 2019)
Fotojournalist (seit 1976)
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Anne Frank - Stolpersteine

Aachens "berühmteste" Stolpersteine liegen vor dem Haus am Pastorplatz Nr. 1. Hier lebte Anne Frank eine Zeitlang mit ihrer Mutter Edith und ihrer Schwester Margot. // Foto: Thomas Schoch / Wikipedia

 

21. Mai 2021

Zwei neue Stolpersteine
mahnen künftig in der Limburger Straße

Seit 1992 verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig sogenannte Stolpersteine, die an Menschen erinnern, die von den Nationalsozialisten verfolgt, ermordet, deportiert oder vertrieben wurden. Seit 2008 erinnern Stolpersteine auch in Aachen an Mitbürgerinnen und -bürger, Freunde und Nachbarn, die der Schoah zum Opfer fielen.

Im Rahmen seiner Sitzung am vergangenen Mittwoch hat der Rat der Stadt Aachen auf Anregung der 9. Klassen am Aachener Einhard-Gymnasium beschlossen, sechs weitere Stolpersteine im Stadtgebiet verlegen zu lassen. Auch in der Limburger Straße werden bald zwei neue Stolpersteine an Opfer der Nazi-Gewaltherrschaft erinnern.

Mit detektivischem Spürsinn und akribischem Fleiß haben die Schülerinnen und Schüler der "Arbeitsgruppe Stolpersteine" am Aachener Einhard-Gymnasium die Lebensdaten von Aachener Männern und Frauen zusammengetragen, die das Vernichtungslager nicht überlebt haben oder von den Nazis vertrieben wurden.

Eine wichtige Arbeit umso mehr in diesen Tagen, in denen Juden in Deutschland wieder Opfer dumpfen Hasses werden und um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten müssen.

 

Hans Rosenberg: Vom "Freund der Familie" in den Tod geschickt

Nur 36 Jahre alt wurde Hans Rosenberg, der bis 1938 im Haus Nr. 12 in der Limburger Straße wohnte, die damals noch Beselerstraße hieß.

Nach der Reichspogromnacht war er im November 1938 nach Amsterdam geflohen, wo sein Vater Emil eine Im- und Export-Firma gegründet hatte. Hans Rosenbergs Frau Marianne war im Juli bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Geschäftsführer Johannes Scholten, ein "Freund der Familie" liefert ihn schließlich ans Messer. Im Februar 1941 wird Hans Rosenberg verhaftet und zurück nach Aachen überstellt, wo er zunächst wegen angeblichen Devisenschmuggels zu einem Jahr Haft verurteilt wird.

Als seine Schwiegereltern ihn Anfang April 1942 nach Verbüßung seiner Haftstrafe am Gefängnis abholen wollen, erfahren sie, dass Hans Rosenberg tags zuvor deportiert worden war. Am 5. März 1943 stirbt er im Vernichtungslager Auschwitz.

 

Hans Rosenberg und Söhne

Hans Rosenberg (li.) mit seinen Söhnen Ernest David Thomas (Tom/Mitte) und Peter Michael Louis (re.) im Amsterdamer Exil. Die Aufnahme entstand 1939 oder 1940 im Amsterdamer Exil. // Foto: privat

Eine ausführliche Biographie mit weiteren Informationen zu Hans Rosenberg findet sich in der Antragsbegründung der Einhard-Schülerinnen und- Schüler.

 

Otto Blumenthal: Hoch angesehener Wissenschaftler an der TH Aachen

Nur wenige Häuser weiter erinnert vor dem Haus Limburger Straße 22 eine im Bürgersteig eingelassene Plakette an den RWTH-Mathematiker Prof. Otto Blumenthal.

Der Aachener Dr. Volkmar Felsch, Mathematiker ebenso wie Otto Blumenthal, hat die erschütternden Tagebücher seines Fachkollegen bearbeitet und im Jahr 2011 als Buch herausgegeben.

Otto Blumenthal Gedenkplakette Limburger Straße 22

Gedenktafel für Prof. Otto Blumenthal vor dem Haus Limburger Straße 22. // Foto: Ulrich Simons

 

Im Nachwort zu Volkmar Felschs Buch schreibt Herausgeber Erhard Roy Wiehn:

"Otto Blumenthals (1876–1944) Tagebücher haben es wahrhaftig in sich.

In mehr als eineinhalbtausend Tagebucheinträgen von Sonntag 1. Januar 1939 bis Donnerstag 22. April 1943, über vier Jahre und vier Monate also, notiert er akribisch Tag für Tag von morgens bis abends oder nachts alle Ereignisse, die ihm wichtig erscheinen und dokumentiert damit sein eigenes Schicksal, das Schicksal seiner Frau und Familie sowie das vieler Leidensgefährten in der Nazidiktatur, ohne dabei die vielen mutigen Menschen zu vergessen, die immer wieder zu helfen versuchten.

Es ist der Leidensweg eines hochgeachteten Mathematikprofessors an der Technischen Universität Aachen durch Anfeindungen und Verleumdungen, Entrechtung, Emigration nach Holland, Ausbürgerung aus Deutschland, Demütigungen ohne Ende bis zur Deportation von Westerbork (Holland) nach Theresienstadt, wo er Ende 1944 stirbt."

  Cover Otto Blumenthals Tagebücher

Otto Blumenthal und seine Frau Amalie, genannt Mali, waren evangelische Christen jüdischer Abstammung. Am 17. Juli 1939 emigrierten sie von Aachen in die Niederlande, woraufhin sie am 11. Januar 1941 aus Hitler-Deutschland ausgebürgert wurden.

Seit dem 14. Juli 1941 trugen ihre Ausweise den J-Stempel, ab 3. Mai 1942 mussten die Eheleute den gelben Judenstern tragen, berichtet Erhard Roy Wiehn weiter.

Professor Blumenthal hatte drei Jahre lang im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft und war Träger des Eisernen Kreuzes zweiter Klasse (EK II), was ihm allerdings nur half, in Theresienstadt und nicht gleich in Auschwitz zu enden.

Bereits am 28. Januar 1941 wurde ihm von der Universität Göttingen der Doktor-Titel aberkannt (und posthum am 27. Oktober 2004 wiederverliehen bzw. zurückerstattet). Otto Blumenthal war jedoch bereits am 13. November 1944 in Theresienstadt verstorben, seine Frau Mali schon am 21. Mai 1943 im holländischen NS-Durchgangslager Westerbork.

Erhard Roy Wiehn wörtlich: "Otto Blumenthals inhaltsreiche, faszinierende, ergreifende Tagebücher wären ohne Dr. Volkmar Felsch wohl nie veröffentlicht worden, und sie wären ohne seine sorgfältige Transkription und ohne seine ebenso akribischen wie umfassenden Recherchen, Erklärungen und Kommentare allenfalls nur halb so verständlich und aufschlußreich, weshalb ihm für seine jahrelange und außerordentlich engagierte Erinnerungsarbeit besonders herzlicher Dank gebührt.

Otto Blumenthal hat schon zu Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 gesehen und vorausgesehen: "Es ist entsetzlich, und die Folgen werden noch entsetzlicher sein."

Vor dem Haus Limburger Straße 22 soll demnächst neben seiner Namenstafel auf Anregung der Einhard-Schülerinnen und -Schüler ein Stolperstein auch an seine Frau Mali erinnern.

Mali und Otto Blumenthal heiraten am 12. August 1908 und wohnen mit ihren Kindern Margarete (*1911) und Ernst (*1914) zunächst in der Rütscherstraße.

1933 erfüllen sie sich den Traum vom eigenen Haus und ziehen in die heutige Limburger Straße.

Als die Lage in Deutschland für sie immer bedrohlicher wird, sorgen sie dafür, dass ihre Kinder nach England auswandern, bleiben selber aber zunächst in Aachen. Nach der Reichspogromnacht flüchten Mali und Otto Blumenthal im Juli 1939 in die Niederlande.

Nach dem Überfall deutscher Truppen auf die Niederlande am 10. Mai 1940 wird auch dort ihr Leben immer unerträglicher.

Am 22. April 1943 werden die Blumenthals verhaftet und kommen zunächst ins Konzentrationslager Vught. Am 21. Mai 1943 stirbt Mali Blumenthal im KZ Westerbork, wohin sie inzwischen gebracht worden war.

Sie ist auf dem jüdischen Friedhof in Diemen begraben.

Ihren Mann deportieren die Nazis nach Theresienstadt. Dort stirbt er Ende 1944.

 

Mali und Ernst Blumenthal 1937 vor dem Rathaus

Mali Blumenthal mit ihrem Sohn Ernst (23) auf dem Aachener Markt vor dem Rathaus. Auf dem Foto, das im Jahr 1937 entstand, ist sie 60 Jahre alt. Sechs Jahre später wird sie von den Nazis ermordet. // Foto: privat

Auch zur Geschichte der Familie Blumenthal finden sich umfangreiche Angaben in der Antragsbegründung der Einhard-Schülerinnen und -Schüler.

 

 

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