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Aachens Top-Modeln (mit langem "o", nicht kurz wie bei Heidi Klums Models!) in Reih und Glied. Namhafte Printenbäcker in der Stadt haben ihre Schatzkisten für die Ausstellung im Centre Charlemagne geöffnet. // Foto: Ulrich Simons |
27. Mai 2021
Aachens Exportschlager Nummer 1:
Ausstellung widmet sich der Printe
An dieser Aachener Spezialität sind im Laufe ihrer mehr als 200-jährigen Geschichte nicht nur Zähne kaputtgegangen. Auch langjährige Freundschaften zerbrachen von einem Tag auf den anderen, weil der ahnungslose Empfänger empört über das vermeintlich völlig altbackene Präsent war.
Bis heute trifft man hin und wieder im Wartezimmer beim Zahnarzt Zeitgenossen, die Stein und Bein schwören, dass in ihrer Printenpackung noch ein Exemplar aus der allerersten Serie gewesen sein muss.
Nicht nur, um mit diesen Legenden und Vorurteilen aufzuräumen, widmet das Centre Charlemagne ab kommender Woche - sofern die Corona-Inzidenzen für die Region es zulassen - der Aachener Printe eine umfassende, mit viel Liebe zusammengetragene und arrangierte Sonderausstellung, für die Carmen Roebers, die Leiterin des Couven-Museums, als Kuratorin und Lars Neugebauer als Co-Kurator verantwortlich zeichnen.
Nahm der Kaiser das Geheimnis mit ins Grab?
Wie immer, wenn man in Aachen etwas tiefer gräbt, landet man bei den alten Römern oder Karl dem Großen, im vorliegenden Fall bei Letzterem. Der soll durch den Genuss größerer Mengen an Ur-Printen von richtig fiesen Bauchschmerzen kuriert worden sein.
Heute ist es aller Erfahrung nach meistens umgekehrt, was darauf hindeutet, dass es sich um eine Legende handeln könnte, ebenso wie die folgende Geschichte mit dem Teufel, der seit dem Dombau in Aachen kein Unbekannter ist.
Nach dem großen Stadtbrand im Jahr 1656 taucht der Pferdefüßige jedenfalls wieder in der Stadt auf und bietet seine Hilfe an. Ganze Wirtschaftszweige sind weggebrochen, da fällt einem jungen Bäckerlehrling ein, dass Karl der Große ein Gebäck namens "Aachener Printen" nicht nur ausgesprochen gerne verzehrt, sondern darüberhinaus in alle Welt verschickt haben soll. Vielleicht kann man ja damit Aachens darniederliegende Wirtschaft wieder ankurbeln.
Das Rezept soll der Kaiser mit ins Grab genommen haben, und nur der Teufel weiß, wo Karl zur letzten Ruhe gebettet wurde. Als Gegenleistung für die Information hätte er gerne den Schlüssel zur Domschatzkammer. Der Bäckerlehrling willigt ein.
Der Kaiser, erstaunt über den unerwarteten Besuch, verbittet sich erst einmal die Störung seiner Totenruhe, rückt dann aber doch das Rezept heraus.
Die Sache mit den Printen wird ein Riesenerfolg, mit der Stadt geht es wieder aufwärts - dann steht plötzlich der Teufel vor der Tür und fordert sein Honorar.
Der Bäckerjunge lädt ihn jedoch ein, erst einmal von dem neuen Gebäck zu probieren, woraufhin der Teufel sich gleich ein ganzes Blech noch ofenwarmer Printen einverleibt.
Die Folgen im Magen-Darm-Trakt des Höllenfürsten müssen sensationell gewesen sein. Jedenfalls wurde der Teufel seitdem nicht mehr in Aachen gesichtet.
Man nehme ... Die Grundzutaten für die Öcher Spezialität sind inzwischen bekannt. Doch Teile der Rezeptur sind auch nach 200 Jahren immer noch ein wohlgehütetes Geheimnis der einzelnen Printenbäcker. // Foto: Ulrich Simons |
Beliebtes Souvenir nach Pilgerfahrten
Ja, und wie war es nun wirklich?
Sicher scheint zu sein: Karl der Große hat nie eine Printe gesehen, und der Teufel auch nicht. Der spezielle Lebkuchen hat gleichwohl eine lange Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. Festgebäck aus Honigkuchen kannten schon die Ägypter, Germanen, Griechen und Römer.
Karl der Große auf einem besonders schönen Model. In der Hand hält er "seinen" Dom, den er so nie gesehen hat - Turm und Chorhalle sind erst nach Karls Tod an die Marienkapelle angebaut worden. // Foto: Ulrich Simons |
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Seine Blütezeit erlebt der Honigkuchen im Mittelalter. Vor allem Mönche stellen ihn her, und er dient Pilgern und Kreuzfahrern als Kraftnahrung.
Die ersten Printen könnten zu Anfang des 19. Jahrhunderts aus dem belgischen Dinant nach Aachen gelangt sein.
(Dort wurde übrigens auch der erste "Karl" gegossen, der den Marktbrunnen schmückte. Inzwischen steht er im Krönungssaal des Rathauses, und vom Brunnen blickt nur noch eine Kopie herab.)
Printen werden zu jener Zeit überwiegend mithilfe so genannter "Model" hergestellt, kunstvoll geschnitzte Holzformen, in die der Printenteig hineingedrückt (engl.: to print) wird. Dann wird die Holzform auf die Tischkante geknallt, so dass sich der Teig wieder herauslöst.
Das ganze kann man beliebig oft hintereinander machen, es sei denn, die Backform geht bei der robusten Behandlung vorzeitig zu Bruch. Aber im Grunde setzt nur die Größe des Backofens dem Treiben Grenzen.
Die "Top-Modeln" aus der Burg Frankenberg
Es ist ein ziemlich brachiales Verfahren, wobei sich für die Herstellung der Backformen Birn- und andere Obstbaumhölzer bewähren.
Wenn man die Holzplatten dick genug wählt, kann man sie sogar von zwei Seiten bearbeiten, sei es, um unterschiedliche Printen herzustellen oder nach einem Schnitzfehler nochmal neu anzufangen.
Knapp 100 dieser Model befinden sich in der städtischen Sammlung in der Burg Frankenberg.
Die schönsten Stücke sind in der Ausstellung am Katschhof zu sehen, ergänzt um Schätze der bekanntesten Aachener Printenbäckereien und von privaten Leihgebern. |
Vor allem bei Pilgern, die alle sieben Jahre zur Heiligtumsfahrt nach Aachen kommen, ist die Printe ein beliebter Mitnahmeartikel. Doch die handgefertigten Backwaren haben ihren Preis - es sind Luxusartikel.
Zuckerrübensirup macht die Printe zum Massenartikel
Das ändert sich, als in der Mitte des 19. Jahrhunderts Honig und Zucker als Süßungsmittel an Bedeutung verlieren. Die Printe wird zum Massenprodukt, nachdem ab etwa 1820 Zuckerrübensirup im großen Stil hergestellt werden kann. Zudem hatte ein größeres Bienensterben den Preis für Honig in astronomische Höhen getrieben.
Die Sache mit dem Zucker-Austauschstoff hat einen Nachteil: Im Gegensatz zum Honig macht der Zuckerrübensirup den Teig zäher. Er ist jetzt nicht mehr so gut formbar und erreicht nicht mehr jede Ritze der filigran gearbeiteten Modeln.
Die besten Aachener Printen und Reisfläden machte jahrelang ein Belgier. Im Dezember 1978 ehrt OB Kurt Malangré (re.) den Aachener "Printenbaron" Leo van den Daele mit dem Bundesverdienstkreuz. // Foto: Archiv Ulrich Simons |
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In der Folge ändert die Printe ihr Aussehen: Die (Schnitt-)Printe wird zum Massenartikel, bei den gemodelten Printen beschränkt man sich fortan auf die äußeren Umrisse und verziert sie allenfalls noch oberflächlich mit Mandeln.
Nach dem Zweiten Weltkrieg runden weiche Saftprinten für sensiblere Naturen das Sortiment ab.
Heute ist die Printe nicht nur ein beliebtes Ganzjahres-Souvenir für Touristen, sondern auch ein identitätsstiftendes Element der Öcher, auch wenn die Anrede "Du Printe" nicht unbedingt ein Kompliment sein muss.
WICHTIG: Die Ausstellung im Centre Charlemagne läuft bis zum 29. August. Wann Sie eröffnet wird, entscheidet sich kurzfristig je nach Corona-Lage. |
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Nicht nur zur Weihnachtszeit: Hasen-Model aus der Sammlung des "Printenbarons" Leo van den Daele (Bild links). // Foto: Ulrich Simons |
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