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Am Johannes Höver Haus ist der Teufel los. In Höhe der Studententürme werde ich von Bäcker Manni K., im Nebenberuf Hausbesetzer, in Empfang genommen. "Hast Du einen Feuerlöscher?" Ich verneine. Erst später sehe ich, wozu er den gebraucht hätte. Ich montiere den großen Metz-Blitz an meine Nikon F2A, dann machen wir uns auf durchs Halbdunkel ins Epizentrum des Krawalls. Die Männer des Rollkommandos, mit Äxten, Spitzhacken, schweren Hämmern und Bauhelmen ausgerüstet, hatten die rund 30 Besetzer im Schlaf überrascht und aus dem Haus gejagt. Dann begannen sie im Inneren des Hauses ihr Zerstörungswerk. "Erst mal haben wir den Krach gehört und das Klirren von Scheiben, dann sind wir nach draußen gegangen, und da haben die mit den Äxten schon alles eingeschlagen", schildert später eine junge Frau aus der Besetzergruppe die dramatischen Minuten.
Rütscherstraße im weißen Feuerlöscher-Nebel Die vertriebenen Besetzer haben inzwischen die herbeitelefonierte Verstärkung aus der ganzen Stadt bekommen. Hilflos müssen sie auf der Straße das Treiben mitverfolgen, während aus dem Inneren des Hauses der Lärm von splitterndem Holz, klirrenden Scheiben und zerberstendem Porzellan zu hören ist. Im Eingangsbereich kommt es zum Zusammenstoß mit Vertretern des Rollkommandos. Über die Straße zieht weißer Nebel aus Feuerlöschern, mit deren Hilfe die Mitglieder des Abbruchunternehmens den Eingang verteidigen. Dann fliegen die ersten Steine in Richtung Glastür ...
Einige der vertriebenen Besetzer lassen ihre Wut inzwischen vor dem Haus an den Fahrzeugen des Rollkommandos aus. Mit zehn Mann wird der Bulli, mit dem die Kölner angereist sind, in eine stabile Seitenlage befördert. Unterdessen eskaliert die Situation im Eingangsbereich vollends. Mit Benzin gefüllte Bierflaschen fliegen in die Tür, kleine Feuerchen flackern auf. Die Polizei war mal kurz in kleiner Besetzung da, hat sich aber wieder zurückgezogen und verfolgt das Treiben aus sicherer Entfernung. Aus dem umgekippten Bulli des Räumkommandos lodern plötzlich Flammen. Drohungen wie "Ihr kommt hier nicht mehr lebend raus!" werden über die Straße in Richtung Höver-Haus gerufen.
Der Räumtrupp sitzt in der Falle Die Abbruchunternehmer, inzwischen mit ihrer zerstörerischen Arbeit weitgehend fertig, merken, dass sie in der Falle sitzen. Daraufhin wechseln sie schlagartig die Tonlage und bitten um freien Abzug. Sie seien angeblich nicht darüber informiert gewesen, dass das Haus noch bewohnt war. Der Wunsch wird ihnen aus nachvollziehbaren Gründen von den vor dem Haus versammelten Besetzern und ihren Mitstreitern nicht erfüllt. Einen Ausfallversuch des gesamten Räumtrupps können die Besetzer erfolgreich zurückschlagen, mehrere der Ausbrecher werden bei der Aktion verletzt, einer landet mit gebrochenem Bein im Hang neben dem Höverhaus, und so trifft man sich schließlich zum Meinungsaustausch in der Kapelle. Die Stimmung ist explosiv.
Nachdem die Männer ihre "Waffen" abgelegt haben, gibt der Anführer des Rollkommandos eine ziemlich wirre Erklärung ab, in der er den Einsatz als "Fehler" bezeichnet. Der Auftrag zur Unbewohnbarmachung des Hauses sei unmittelbar von der Consulting AG gekommen. Er und seine Männer seien zwei Tage zuvor in Köln auf Baustellen angeworben worden. Zwei Sätze später behauptet er, es handle sich überwiegend um Arbeitslose.
"Irgendwie machen, dass ich hier rauskomme" Der Einsatz habe seinen Leuten und auch ihm jeweils 300 Mark gebracht, die sie im voraus erhalten hätten. Zwei Sätze zuvor hatte er noch zu Protokoll gegeben, das Geld solle über einen ihm unbekannten Mittelsmann auf ein Konto überwiesen werden. Und schließlich der Appell: "Leute, wir wollen doch friedlich sein, wir können doch auch nichts dazu. Uns wurde gesagt, wenn es brenzlig für uns würde, käme die Polizei. Das ist offenbar nicht der Fall. Jetzt will ich nur eins: Irgendwie machen, dass ich hier rauskomme."
Ein Rundgang durch das verwüstete Haus offenbart das ganze Ausmaß der Schäden. Wie von Sinnen müssen die Männer des Rollkommandos in den Räumen der geflüchteten Besetzer gewütet haben. Keine Tür hängt mehr in den Angeln, in den Fensterrahmen steckt keine intakte Scheibe mehr. Waschbecken und Toilettenschüsseln sind zertrümmert, aus gebrochenen Rohrleitungen ergießt sich Wasser in das ganze Chaos. Selbst persönliche Gegenstände der Besetzer sind kurz und klein geschlagen. Irgendwann ist dann doch noch die Polizei in größerer Besetzung vorgefahren. "Das Höver-Haus ist heute eine sinnlose Ruine von innen. Und nicht die Besetzer, sondern die Besitzer haben das angerichtet", schreibt AVZ-Redakteur Herwig Fassbender einen Tag später in einem Kommentar.
Die Stuttgarter Consulting hat mit dem Johannes-Höver-Haus kein Glück. Sie beginnt zwar noch mit dem Umbau, muss jedoch 1985 Insolvenz anmelden. Der umkämpfte rechte Gebäudeflügel wurde später abgerissen und neu aufgebaut. |
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© Ulrich Simons |
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