Beschlossen und verkündet: Die Parkplätze am rechten Fahrbahnrand der Vaalser Straße müssen einer 130 Meter kurzen Protected Bike Lane mit neun Grundstückszufahrten weichen. // Foto: Archiv Ulrich Simons |
02. Oktober 2021
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Gegen alle Argumente:
Radfahrer bekommen den Parkstreifen
Selbst Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen hatte sich in einem Brief an die Anwohner in ungewohnter Deutlichkeit für die von allen Experten favorisierte "Variante 2" (breite, rote Fahrrad-Schutzstreifen) an der Vaalser Straße ausgesprochen. Es half nichts.
Mit der hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme prügelten die Fraktionen von Grünen, Zukunft und der Linken am Donnerstag im Mobilitätsausschuss die umstrittene "Variante 3b" mit einer 130 Meter langen Sinnlos-Bikelane durch. Sinnlos unter anderem, weil demnächst auf dem kurzen Stück neun Grundstückszufahrten die Fahrradautobahn schneiden.
Vergebens hatten die Anwohner, darunter eine Reihe von Ärzten und Physiotherapeutinnen, in dieser Woche in einem Schreiben an die Oberbürgermeisterin geradezu gefleht, die Parkplätze vor ihren Haustüren nicht zuletzt im Interesse ihrer oft schwerbehinderten großen (Schlaganfall) und kleinen Patienten (u.a. eine Kinderkardiologie mit einem Einzugsbereich bis in den Kölner Raum) zu erhalten und ihrer Klientel nicht künftig Hunderte Meter Fußweg bei Kälte, Wind und Regen zuzumuten.
Kampfabstimmung. Abgeschmettert.
Und das, obwohl viele Radfahrer heute schon die parallel verlaufende und weniger steile Alte Vaalser Straße nutzen und die Fahrradautobahn an der Hauptstraße gar nicht brauchen. Auch Aseag und Polizei hatten ebenso wie die Verwaltung die zudem kostengünstigere "Variante 2" favorisiert.
Dem Fahrrad wird derzeit in Aachen unter Verweis auf den ideologisch überfrachteten und wenig praxistauglichen "Radentscheid" alles untergeordnet und geopfert, egal wie blödsinnig am Ende das Ergebnis ist. Die Anwohner der bisher noch verschonten Ausfallstraßen wissen jetzt endgültig, was demnächst auf sie zukommt.
Das wäre alles nicht so schlimm, wenn man nicht das Gefühl hätte, dass die heutigen Entscheidungsträger aus den Fehlern der 1970er- und 1980er Jahre beim Umbau Aachens zur "autogerechten Stadt" absolut nichts gelernt hätten. Statt ein vernünftiges Miteinander anzustreben, wird wieder nur einem Verkehrsmittel der absolute Führungsanspruch eingeräumt.
Für alte Menschen, Kranke und Behinderte oder einfach nur Anwohner, die mit ihren Einkäufen nicht kilometerweit laufen möchten, ist im gedanklichen Mikrokosmos der Grünen schon heute kein Platz mehr.
Eines fernen Tages, an den sie vielleicht heute noch gar nicht denken, werden die Gestalter der "Mobilitätswende", inzwischen etwas älter und grauer geworden, die Folgen ihres Handelns am eigenen Leib zu spüren bekommen und überrascht feststellen, dass Radfahren außerhalb der paar Sommermonate in Aachen doch nicht so lustig ist.
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