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Viele solcher Geschichten lassen sich leider nur erahnen, was schade ist, denn in vielen Fällen würde man gerne mehr erfahren als nur Aufnahmejahr und -ort, so auch bei dem herrlichen Foto der Dame mit dem Pelzjäckchen, die 1984 beim Bikertreff vor dem Rathaus die BMW von Globetrotter Bernd Tesch aus Kornelimünster skeptisch beäugt. Interessant wäre auch gewesen zu erfahren, was 1983 beim Reitturnier die feinen Leute vor der Haupttribüne veranstaltet haben, wo es aussieht als seien mehrere gelbe Säcke (die es damals noch nicht gab) detoniert. Aus dem gleichen Jahr stammt ein heute angesichts der Selbstverständlichkeit von Smartphones völlig skurril anmutendes Foto einer Menschenschlange im Regen vor einer der wenigen Telefonzellen auf dem Turniergelände. Und Heiliger & Kleutgens gegenüber vom Theater wirbt im Schaufenster u.a. mit "Schallplatten" und "Musi-Cassetten", zwei Begriffen, die man jüngeren Menschen heute schon erklären muss. Obwohl das alles erst 40 bis 50 Jahre her ist.
Begegnung mit weitreichenden Folgen Achim Ferrari ist ein aufmerksamer Beobachter und hält all diese Szenen mit seiner Nikon fest. Von Kindesbeinen an hat er Erfahrungen mit dem Medium Fotografie gesammelt. Erste fotografische Gehversuche hatte der gebürtige Bonner als Schüler zu Hause in Troisdorf mit Vaters Voigtländer Bessamatic gemacht. An der TH hat er im Fachbereich Baukonstruktion inzwischen einen Job als Hilfswissenschaftler ("HiWi") im Fotolabor ergattert. Die Tätigkeit als "Entwicklungshelfer" übt er bis zu seinem Examen aus. In der Mensa an der Turmstraße steht Anfang der 1970er Jahre hinter einem Tapeziertisch ein junger Physikstudent, der dort Kameras verkauft, und ab 1973 als Inhaber von "Audiophil-Foto" am Lindenplatz weit über Aachens Stadtgrenzen hinaus eine gewisse Berühmtheit erlangen wird. Später stößt noch der Niederländer Henry Witpeerd hinzu, der sich schnell als einer der besten Nikon-Kenner und Leica-Spezialisten in Deutschland einen Namen macht. Klaus Lorenz betreibt damals noch Verkauf und Lager getrennt. In der Mensa wechseln die Kameras den Besitzer, das Lager befindet sich in einem der Studententürme an der Rütscherstraße. Irgendwann liegt in der Mensa ein Nikon F auf dem Tapeziertisch, Nikons erste Kleinbild-Spiegelreflexkamera, die heute als Mutter aller professionellen Kleinbild-SLRs (englisch: single lens relfex) gilt. Bei Achim Ferrari ist es Liebe auf den ersten Blick. Er wundert sich nur, als er wenig später die bestellte Kamera in Händen hält: Der Sucher ist irgendwie anders. Schnell findet er heraus: Er ist gerade Besitzer des Nachfolgemodells geworden, einer in jeder Beziehung nagelneuen Nikon F2 - die Gehäusenummer ist gerade einmal dreistellig.
"Die beste Kamera, die es je gegeben hat" Es wird der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. "Die F2 war die beste Kamera, die es je gegeben hat", ist Achim Ferrari noch heute überzeugt. Und nicht nur er. Ein unverwüstliches Arbeitstier, das bei ihm auch einen Sturz vom Schrank aus zwei Metern Höhe überlebte. Als die Kamera aus der Reparatur zurückkam, standen auf der Rechnung nur zwei Positionen "Spiegel justiert" und "Kamera gereinigt". Das angesetzte Soligor-Teleobjektiv war dagegen nicht mehr zu retten gewesen. Achim Ferrari und seine F2 sieht man fortan häufiger zusammen. Motive findet er zuhauf in einer Stadt, in der auch 40 Jahre nach Kriegsende noch erstaunlich viele Wunden klaffen. Ilford FP4, HP5 und Kodak Tri-X heißen die Kleinbildfilme jener Zeit, die bei Audiophil zu Stückpreisen um die fünf Mark über die Theke gehen.
Als der Fotograf mit der Auswahl der Bilder für sein Buch beginnt, schlummern alleine in seinem sein Schwarz-Weiß-Archiv rund 600 Filme mit insgesamt weit über 20.000 Aufnahmen. Inklusive der in den vergangenen Jahren neu hinzugekommenen Digitalaufnahmen umfasst Ferraris Archiv heute nach eigenen Angaben rund 130.000 Bilder. Entsprechend aufwändig ist die Auswahl: 3000 Fotos überstehen die erste Sichtung, 200 kommen in die engere Wahl, rund 140 schaffen es schließlich ins Buch. Gut ein Jahr lang glüht bei Achim Ferrari der Flachbett-Scanner. In Adobe Photoshop werden anschließend in fummeliger Kleinarbeit Filmkorn, Flecken und Fussel entfernt. Das ist etwas paradox. Denn mittlerweile gibt es Computerprogramme wie DxO's "Film Pack 5" (Untertitel: "Entdecken Sie die Magie des Analogfilms"), die versuchen, diese Filme am Rechner zu emulieren und makellosen Digitalfotos mithilfe von "Digitalkorn" einen Hauch der Unvollkommenheit und der 80er-Jahre zu geben. Früher war nicht alles schlecht ...
* Bei dem alten Gebäude auf dem Titelphoto handelt es sich um die frühere Mädchenmittelschule II in der Eilfschornsteinstraße 16. Heute residiert dort das Philosophische Institut der RWTH Aachen. Auf der Brachfläche im Vordergrund mit dem Ford 17M steht seit 1977 das Kármán-Auditorium. |
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© Ulrich Simons |
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