Der Urgroßvater reiste noch als Zahnarzt über die Jahrmärkte und befreite die Menschen nicht nur von ihren Schmerzen, sondern auch von ihren Zähnen. Gaukler Gilbert hat das wichtigste Handwerkszeug des Verstorbenen aufbewahrt. Erzählt er. // alle Fotos: Ulrich Simons |
20. August 2023
Gaukler-Legende Gilbert Jakubczyk:
Auch mit fast 70 noch ein Erlebnis
Irgendwann in den 1980er Jahren am Kugelbrunnen in der Adalbertstraße: Auf einer Kiste steht ein junger Mann, schwarze Hose, schwarzer Gehrock, schwarzer hoher Zylinder mit großen Augen und zur Maske erstarrtem Gesicht, beugt sich etwas hüftsteif zu den Passanten herunter und vollführt "zackige" Bewegungen. "Gilbert l'Automat" nennt er sich, Gilbert, der Roboter. Er wird berühmt mit dieser Nummer, nicht nur in Aachen, sondern weit über Deutschland hinaus.
Am Sonntag, 40 Jahre später, war Gilbert wieder in der Stadt. Das Waisenkind, das mit 13 Jahren aus dem Heim in Brüssel flüchtete und sich nach Paris durchschlug, wird im kommenden Jahr 70. Inzwischen ist er ein Star unter den Straßenkünstlern, eine lebende Legende. Auf dem Katschhof ist er die hinreißende Zugabe bei der Finissage der Ausstellung zur Geschichte des "Öcher Bends" im benachbarten Centre Charlemagne.
Höhepunkt ist der neunfache Todessalto seiner Winz-Artistin "Fifine" von einer 50 Zentimeter hohen Kofferradio-Antenne in einen winzigen Brotdosen-Swimming-Pool. Schauen Sie mal, was Sie verpasst haben ...
Der Robotermensch von damals ist inzwischen Zirkusdirektor. Star seiner Truppe ist Flohdame "Fifine", die sogar schon im Pariser Lido aufgetreten ist und die Menschen mit ihrem neunfachen Salto Mortale von einem Sprungbrett auf einem unfassbar hohen Teleskopmast begeistert.
Letzter Gesundheitscheck vor dem Auftritt von "Fifine". Alles scheint in Ordnung. "Gestern ist sie danebengesprungen", verrät Gilbert. Hoffen wir, dass diesmal alles klappt ...
Auf geht's: Fifine, die gerne im Mini Strandkorb entspannt und im kleinen roten Salonwagen (unten links neben dem Mast) von Auftritt zu Auftritt reist und sogar über ein eigenes Dixi-Klo verfügt (rechts unter Gilberts Manschette), macht sich an den Aufstieg. Ihr Chef lässt sie nicht aus den Augen ...
Geschafft! Fifine ist auf der Plattform angekommen. Nervenzerreißende Spannung.
Das Publikum gibt das Kommando zum Absprung: 1 - 2 - 3 ... und Fifine fliegt.
Fifine scheint in der Form ihres Lebens. Für einen kurzen, bangen Moment verliert Gilbert seine Hauptdarstellerin sogar zwischen dem zweiten und dritten Salto aus den Augen.
Unfassbar! Mit einem soliden Bauchklatscher taucht Fifine in den kleinen Brotdosen-Pool ein und erzeugt dabei eine gewaltige Fontäne.
Auf den gelungenen Sprung einen tiefen Schluck aus der Pulle aus Opas Weinkeller. Es muss das gleiche Zeug sein, das die Rothäute ("Indianer" darf man ja nicht mehr sagen) bei Karl May "Feuerwasser" nannten.
Kawumm! - In sicherer Entfernung zum Publikum demonstriert Gilbert der Gaukler auf der Treppe hinterm Rathaus, woher der Name "Feuerwasser" kommt. // alle Fotos: Ulrich Simons
Lesen Sie hier:
Gaukler Gilbert Jakubczyk: "Der ehrliche Scharlatan"
Und noch ein Portrait
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