In den 1960er Jahren wurden auch die Tulpen auf den Fotos vom Keukenhof plötzlich bunt. Und wer seine Urlaubsfilme gleich in unserem Nachbarland zum Entwickeln gab, der bekam beim Abholen auf der Negativtasche gratis noch ein paar wertvolle Fototipps. Eine solche Tasche entdeckte ich jetzt beim Einscannen alter Urlaubsfotos. Es wurde ein recht amüsanter Ausflug in die Vergangenheit ... // Foto: Ulrich Simons |
06. April 2024
Nuttige Flitser im Schatten:
Fototipps 1966 auf Niederländisch
Die vergangene Woche habe ich größtenteils in den 1960er Jahren verbracht. Mein fotografierender, vor 24 Jahren verstorbener Vater hatte einen Schuhkarton mit Negativen hinterlassen, die erste Verfallserscheinungen zeigten. Höchste Zeit, sie digital in Sicherheit zu bringen und dabei auch gleich von Staub und Kratzern zu befreien.
Aktuelle Scan-Programme wie SilverFast verfügen mittlerweile über Ansätze von KI, und es ist unglaublich, was in Verbindung mit einem gescheiten Scanner aus ramponierten Negativen noch herauszuholen ist, die in den vergangenen 60 Jahren mehrfach aus der Pergaminhülle herausgenommen und wieder hineingesteckt wurden.
Bei der Gelegenheit stieß ich dann unter den papiernen Fototaschen, in denen man damals die entwickelten 36er-Filme - in Sechser-Streifen zerteilt - zurückerhielt, auf ein ganz besonderes Exemplar ...
Fertige Fotos schon am Ende des Urlaubs
Damals ging es in den Schulferien im August immer für vier Wochen nach Westkapelle, da bot es sich an, die belichteten Filme gleich in Middelburg oder Vlissingen zum Entwickeln zu geben. So konnte man am Ende des Urlaubs bereits die fertigen Fotos aus den ersten beiden Wochen mit nach Hause nehmen. Das war damals sensationell. Die Handy-Knipser von heute lächeln über sowas.
1966, gerade zehn Jahre alt, hatte ich natürlich - im Gegensatz zu meinem Vater - mit Fotografie noch nicht viel am Hut. Ich scheine nicht der Einzige gewesen zu sein, denn in der Negativtasche fand sich eine Liste mit aus heutiger Sicht ziemlich abenteuerlichen Fototipps.
Damals machten sie noch Sinn, denn es war in vielen Amateurkameras die Zeit des Wechsels von Schwarzweiß zu Farbe. Darauf deutet schon der Appell "fotografeer kleuren" ("fotografier in Farbe") auf der Außenhülle der Papiertasche hin.
Die Tücken des Gelbfilters
Dass die Farbfotografie offenbar noch in den Kinderschuhen steckte, zeigt auch im Inneren unter P.3 der Tipp für die bisherigen Schwarzweiß-Fotografen: "NOOIT een geelfilter gebruiken bij kleurfilms." ("Bei Farbfilmen NIEMALS einen Gelbfilter verwenden.")
Kein Mensch käme heute auf die Idee, warum also damals dieser Hinweis?
Der Gelbfilter war in Zeiten der analogen Schwarzweiß-Fotografie ein beliebtes Werkzeug, um auf Landschaftsaufnahmen den blauen Himmel dunkler erscheinen zu lassen. Farbfilter lassen die Eigenfarbe durch und blockieren die Komplementärfarbe, im Falle von Gelb also Blau.
Ergebnis: Das blaue Licht des Himmels blieb im Gelbfilter "hängen", der Schwarzweiß-Film war nach dem Entwickeln an dieser Stelle des Negativs weiß oder allenfalls hellgrau. Bei der Belichtung fiel an diesen Stellen dann mehr Licht auf das Fotopapier und der Himmel wurde dunkler, was weiße Cumulus-Wolken schön hervortreten ließ.
In Verbindung mit den neuen Farbnegativfilmen waren die Gelbfilter zur Dramatisierung des Himmels (noch stärker war der Effekt bei einem Rotfilter) natürlich nicht mehr zu gebrauchen. Da nahm man entweder bei der Aufnahme einen Polfilter und später dann Photoshop.
"Farbfilm macht nur bei farbigen Motiven Sinn"
Ziemlich selbstverständlich erscheint auch Hinweis Nr. 4: "Als U kleurenfoto's wilt maken, zorg er dan voor, dat wat U fotografeert ook kleurrijk is." Muss ich das übersetzen? Bedeutet: Schornsteinfeger, Brautpaare und Steinway-Flügel kann man genauso gut auch in Schwarzweiß fotografieren.
Tip Nr. 5 kennen Sie schon aus der Überschrift. "Een flitser kan zeer nuttig zijn (zelfs bij zon) om de schaduwpartijen op te helderen." Das ist kein Schweinkram, es besagt nur (und hat bis heute Gültigkeit) dass man starke Schatten, vor allem bei Portraits im Gegenlicht, mit einem Blitz, einem "flitser", aufhellen sollte, der dabei sehr "nuttig", also nützlich sein kann.
Bis heute gibt es in unserem Nachbarland "Flitser-Apps", die aber nicht Tipps zum Nackt-Joggen geben, sondern auf Radarfallen hinweisen.
Aufnahmebedingungen wie nach einem Zimmerbrand
Mit welchen Problemen ein Fotograf in den 1960er Jahren zu kämpfen hatte, zeigt schließlich Fototipp Nr. 7: "Zorg er voor, dat bij binnenopnamen de ROOK uit het vertrek geventileerd is." Da wird die Papierhülle zum echten Zeitdokument.
Zum einen fällt auf, dass hier das Wort "ROOK" (Rauch) hervorhebend in Versalien geschrieben ist, scheint also das Hauptproblem für körnige Fotos gewesen zu sein.
Damals wurde halt in der guten Stube noch alles geraucht, was sich anzünden und inhalieren ließ. Zigaretten, Zigarillos, Zigarren, Pfeife: Da konnte man schon an den Wohnzimmergardinen sehen, ob man im Haus eines Rauchers gelandet war. Vom Mief ganz abgesehen.
Haben Sie mal gezählt, wie oft sich "Kommissar" Erik Ode in einer Folge eine Zigarette anknipst? Und Rehbeinchen servierte den Cognac dazu. Heute unvorstellbar.
Wenn Sie in diesen Nebel auch noch hineinblitzen, reflektieren die kleinen Rauchpartikelchen das Blitzlicht, und Sie erkennen gar nichts mehr.
Eine Vollkatastrophe sind in diesem Zusammenhang Friedenspfeife rauchende Indianer, die man auf keinen Fall im geschlossenen Wigwam blitzen sollte!
In diesem Sinne: "Buenos Dias!" = Schöne Fotos!
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