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Ulrich Simons

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Redakteur (1987 bis 2019)
Fotojournalist (seit 1976)
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Andreas Schaub

Der mit den Steinen redet: Andreas Schaub in der ehemaligen (und bald auch wieder) Baumscheibe am Katschhof-Durchgang zur Krämerstraße. Der rechte Fuß des Stadtarchäologen steht auf einem römischen Fundament aus dem dritten Jahrundert, das in Nordost-Südwest-Richtung verläuft. Das spätere karolingische Straßennetz war dagegen streng in Ost-West-Richtung angelegt. Die Überlagerung der beiden Straßennetze erkennt man heute noch an den dreieckigen Plätzen in der Aachener Innenstadt. // Foto: Ulrich Simons

 

10. April 2024

Katschhof: Wenn Herr Schaub
aus Steinen Geschichte macht ...

Der Katschhof am Mittwochmorgen. Die Frühlingssonne scheint, auf der Rathaustreppe sitzen die ersten Sonnenanbeter, eine Schulklasse überquert lautstark den Platz, und am Durchgang zur Krämerstraße ist Andreas Schaub wieder mal in seinem Element.

Was der Laie als "Grube" bezeichnen würde, anderthalb Meter tief und etwa zehn Quadratmeter groß, ist für den Stadtarchäologen und für sein Team eine Zeitkapsel. Denn hier am Rande des Katschhofes lässt sich Aachens Siedlungsgeschichte anhand von Spuren im Boden bis ins dritte Jahrhundert zurückverfolgen.

Wurzelstümpfe, die aus den Wänden der Baugrube ragen, sind die stummen Überreste einer 120 Jahre alten Kastanie, die im vergangenen Jahr an dieser Stelle krankheitsbedingt gefällt werden musste. Was Baumfreunden damals die Tränen in die Augen trieb, sollte sich für Schaub als Glücksfall entpuppen. Römer, Merowinger, Karolinger, der erste Katschhof - alles wie auf dem Präsentierteller. Wenn man erkennt, was man sieht.

Und dann legt Andreas Schaub los, und es wird wieder eine Geschichtsstunde, wie man sie sich früher in der Schule gewünscht hätte.

Andreas Schaub

Vom Wasser herbeigeschaffte ("fluviatile") Sedimente: Ein schwarzer Streifen im Boden beweist, dass bei der Belagerung und Überflutung Aachens durch Wilhelm von Holland im Jahr 1248 das Wasser auch auf dem Katschhof gestanden haben muss, der damals etwa einen Meter unter dem Niveau von heute lag. // Foto: Ulrich Simons

 

Es war nicht immer so gemütlich an dieser Stelle wie an diesem Morgen. An den Wänden und auf dem Boden der Grube hat Andreas Schaub Zettelchen mit Buchstaben und Zahlen verteilt. "M" steht für die Merowinger, "K" für karolingische Bausubstanz und "R" ganz unten für die alten Römer.

Im Wort "Geschichte" steckt vermutlich nicht ganz zufällig das Wort "Schicht". So können Experten wie Andreas Schaub noch Jahrhunderte später die Epochen der Stadtentwicklung im Boden ablesen.

An einer schwarzen Schicht in der Wand, etwa eine handbreit, pappt beispielsweise ein Kärtchen mit der Jahreszahl: "1248". Heute würde man sagen: Für die Aachener ein "annus horribilis".

 

Wilhelm von Holland überflutet die Innenstadt

Ein Jahr und 20 Tage lang hatte Graf Wilhelm/Willem von Holland die Stadt belagert. Mit Hilfe von Papst Innozenz IV. wollte er sich in Aachen zum deutschen Gegenkönig krönen lassen. Die Aachener standen aber weiterhin fest auf der Seite Friedrichs II., dessen Absetzung der Papst im Juli 1245 verkündet hatte, und hielten die Stadttore verschlossen.

So beschloss Wilhelm mit seinem nicht gerade kleinen Heer, die Aachener weichzukochen. Knapp ein Jahr lang dauerte die Belagerung schon, in der Stadt wurden die Vorräte knapp, da besann sich Willem der Friesen in seinem Heer und der holländischen Tradition des Deichbaus.

Mit Hilfe eines gut 12 Meter hohen künstlichen Damms in der mittleren Adalbertstraße staute er Ende April 1248 drei Aachener Bäche auf, die dort zusammenkamen. Innerhalb kurzer Zeit hatten Pau, Paunelle und der Johannisbach ein Drittel der Stadt überflutet - inklusive Marktplatz, Marienkirche (Dom) und Katschhof.

Ein halbes Jahr später, am 16. Oktober 1248, ergaben sich die Aachener. Die Flut hatte ihren Lehmhäusern übel zugesetzt, die halbe Stadt war durch die Belagerung zerstört, viele Bewohner obdachlos, das Brot war verdorben, Fleisch ungenießbar geworden, Nachschub kaum noch zu beschaffen.

Bis 1254 blieb Wilhelm von Holland deutsch-römischer Gegenkönig. Ein schwarzer Streifen tief unten im Boden des Katschhofs erzählt die Geschichte. Es sind sogenannte "fluviatile Sedimente", Schwebstoffe, die das Wasser bis hierhin mitgeführt hatte, und die sich dann bei sinkender Fließgeschwindigkeit abgelagert haben. Laborproben haben das eindeutig bewiesen.

 

Andreas Schaub

Mikro-Spuren: Mitunter sind die Bodenfunde nicht größer als ein Fingernagel. // Foto: Ulrich Simons

 

Im Rahmen von archäologischen Untersuchungen auf dem Katschhof waren bereits Ende vergangenen Jahres spannende Funde gemacht und öffentlich präsentiert worden. Nach einer Unterbrechung aufgrund des Weihnachtsmarktes und der Karnevalszeit konnten die Grabungen in den vergangenen Wochen wieder aufgenommen werden.

„Für den zweiten Abschnitt der Grabung war die Spannung groß, ob und in welcher Form sich Siedlungsspuren der vorkarolingischen Merowingerzeit nachweisen lassen und wie es sich mit dem Übergang und Anschluss an die römische Epoche genau verhalten würde“, erläuterte Schaub die Erwartungshaltung.

 

"Überraschnde Neuerkenntnisse"

Tatsächlich fanden die Geschichtsexperten um Schaub und den ehrenamtlichen Arbeitskreis Archäologie Aachen (AAA) Reste eines vor- oder frühkarolingischen Gebäudes und eine Weg- oder Hofschotterung des 6. Jahrhunderts

„Insgesamt erbrachte die Grabung überraschende Neuerkenntnisse für das frühe Mittelalter. Von besonderer Bedeutung ist vor allem die nun erstmals auf gesicherter archäologischer Grundlage mögliche Rekonstruktion der städtebaulichen Entwicklung von der Römerstadt über die Pfalz bis hin zur mittelalterlichen Stadt mit ihren Platzanlagen am Katschhof und Markt“, zog Andreas Schaub eine positive Bilanz.

 

Andreas Schaub

Auch das fand sich tief unter der Erde: Ein Feuerstein-Werkzeug vom Lousberg. // Foto: Ulrich Simons

 

Die Grabung auf dem Katschhof hat somit zahlreiche neue Erkenntnisse gebracht, die für die städtebauliche Entwicklung Aachens bedeutsam sind:

  • Die römische Vermessung und Parzellierung wurde im frühen Mittelalter bis zum Ausbau der Pfalz beibehalten. Mindestens bis zum 6. Jahrhundert wurde die römische Bausubstanz genutzt, danach wurde in alter Ausrichtung neu gebaut. Daraus ergibt sich für die Archäologie die Frage: Ist das der Beginn der Pfalz von Pippin?

  • Im späten 8. oder frühen 9. Jahrhundert wurde im Kerngebiet der Pfalz die Ausrichtung auf Nord-Süd bzw. Ost-West geändert. In der Osthälfte der Kernpfalz entstehen dabei drei reich ausgestattete Großbauten in leichter Abweichung der Bauflucht auf Nordnordost-Südsüdwest.

  • In der Zeit um 1100 wurden diese drei Gebäude ganz oder teilweise niedergelegt und es entsteht erst jetzt der Platz, den wir heute Katschhof nennen.

  • Zur gleichen Zeit wird auch das römische Castrum abgebrochen, welches den Markthügel umschlossen hatte – dort entsteht dann als zweite große Platzfläche der Markt.

 

Katschhof

Penibelst skizziert und dokumentiert. Andreas Schaub schwört auf "analog". Skizzen wie diese könne man noch in 100 Jahren aus dem Schrank holen. Bei den heutigen Dateien ist er da nicht so sicher. // Foto: Ulrich Simons

 

Eine Frage bleibt wie so oft: Wer macht sowas? Und warum?

Es muss nun in Fachkreisen neu darüber nachgedacht werden, wer für diese massiven städtebaulichen Veränderungen verantwortlich war: Noch der Kaiser, der seine Pfalz neu ordnet? Oder sind es bereits erste Hinweise auf eine Übernahme des Pfalzbereiches durch die sich entwickelnde Stadt?

So oder so ist klar: Für Archäologen und Geschichtsexperten bleibt Aachen ein spannendes Forschungsfeld.

(mit Material von Stefan Herrmann, Presseamt Stadt Aachen)

 

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