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"Journalismus heißt, etwas zu drucken, von dem jemand will, dass es nicht gedruckt wird. Alles andere ist Public Relations."
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Ulrich Simons

Ulrich Simons
Redakteur (1987 bis 2019)
Fotojournalist (seit 1976)
Letzter Blogger vor der Grenze (ab 2019)

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  Saeulenfuss

Was auf den ersten Blick aussieht wie ein römischer Toaster (Bild links) ist Teil eines turmartigen Grabsteins für einen reichen Veteranen. Dieser hatte seinen Erben dazu verpflichtete, ihn zu errichten, woraufhin der sogar die Kosten auf dem Grabstein vermerkte: 14.000 Sesterzen, das Jahresgehalt eines Centurio. Der Fund stammt aus Maastricht. - Das rechte Bild zeigt den rekonstruierten Teil des Sockels einer Jupitersäule, der in Jülich im Fundament der Propsteikirche St. Mariä Himmelfahrt gefunden wurde. // Fotos: Ulrich Simons

 

23. Mai 2024

Römisches Alltagsleben
in Stein gemeißelt

Manchmal spielt einem das Kopfkino alberne Streiche. Als ich zum ersten Mal den Untertitel der neuen Ausstellung im Centre Charlemagne las "Als die Römer uns die Schrift brachten", zog vor meinem geistigen Auge ein Trupp römischer Legionäre mit einem Dutzend Maultieren von den Höhen des Aachener Waldes herab, auf dem Rücken der Tiere Setzkästen, Scrabble-Spiele und Tüten mit Buchstabensuppe, um den Analphabeten im Aachener Mückensumpf "die Schrift zu bringen".

Völliger Blödsinn. War alles ganz anders.

 

Soldaten und Akademiker

Um 55 v. Chr. waren die Römer im Rahmen von Caesars Gallischem Krieg auch in der heutigen Euregio aufgetaucht. Die Begeisterung der Bewohner hielt sich zunächst in Grenzen. Doch den Soldaten folgten Straßenbauer, Ingenieure und Architekten, und die Besatzer entwickelten die Region zwischen den Dörfern Aquae Granni (Aachen) und Traiectum ad Mosam (Maastricht) zu einer bis dahin nicht gekannten Blüte.

Das Leben der Menschen, überwiegend eburonische Bauern der späten Eisenzeit, veränderte sich von einem Tag auf den anderen. Aus Selbstversorgern wurden Nahrungsmittelproduzenten, die mit den Früchten ihrer Felder Handel trieben und die römischen Grenztruppen des Limes am Rhein mit Getreide belieferten. Auch die schnell wachsenden Siedlungen zogen neue Bewohner an, die mit Lebensmitteln versorgt sein wollten.

Dr. Karen Jeneson, Leiterin des Heerlener Thermenmuseums, hat ihre Doktorarbeit 2013 über die Römer in Südlimburg geschrieben. Wenn Sie mehr dazu wissen wollen, schauen Sie mal hier.

 

"Entweder man lernt es, oder man ist raus."

Etwa um Christi Geburt nahm in der Region "ein gewaltiger Medienwandel" Fahrt auf, wie Dr. Frank Pohle, Leiter des Centre Charlemagne am Katschhof, die Veränderung nennt. Wie 2000 Jahre später, als der Computer die Welt in User und Loser teilte, standen die Bauern vor der Entscheidung: "Entweder man lernt es, oder man ist raus."

Schrift war für die Bauern bis dahin entbehrlich gewesen und kein Massenphänomen. Doch der einsetzende Handel machte sie unverzichtbar, sowohl zur Deklarierung der Waren auf tönernen Versandgefäßen als auch (viel wichtiger) für das Schreiben von Rechnungen. Auch in den römischen Garnisonen erwies sie sich als nützlich zur Kennzeichnung etwa von Ausrüstungsgegenständen.

Graffiti an Hauswänden, prächtige Inschriften auf öffentlichen Gebäuden - in allen Bereichen des Lebens hielt die neue Kulturtechnik Einzug.

Diese römischen Inschriften aus verschiedenen Orten in der Euregio Maas-Rhein sind das Thema der neuen Sonderausstellung im Centre Charlemagne, die am Freitagabend (25. Mai) um 19 Uhr eröffnet wird. Sie ist bis zum 01. September zu sehen.

 

Ausstellung Römer

Römische Funde aus der gesamten Euregio erwecken im Centre Charlemagne eine Vorstellung vom Leben der Römer vor 2000 Jahren in unseren Breiten. // Foto: Ulrich Simons

 

„Die Idee zur Ausstellung entstand in der euregionalen Vicus-Gruppe, deren Mitglieder aus Museen, den Hochschulen und der Archäologie sich allesamt der Erforschung der kleineren römerzeitlichen Siedlungen, der sogenannten „vici“, in unserem Raum verschrieben haben“, erläutert Dr. Frank Pohle.

Durch Schriftzeugnisse, vor allem Inschriften, kennen wir die Namen einzelner Personen, die in dieser Gegend lebten, wissen etwas über ihre Berufe und kennen Familienbeziehungen. Zum ersten Mal überhaupt wurden für die Ausstellung Inschriften aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden in dieser Form zusammengetragen. Liebevoll gezeichnete Comicfiguren und kleine Geschichten erwecken die (fiktiven) Besitzer der Exponate zum Leben.

 

"Unterschiedliche Wissenschaftskulturen"

Marcell Perse, Leiter des Museums Zitadelle Jülich und Kooperationspartner der Centre Charlemagne, unterstreicht: "Schrift war zunächst einmal für die Verwaltung des riesigen Römischen Reiches von entscheidender Bedeutung, die auf funktionierende Kommunikation angewiesen war. Den Anfang machten Rechnungen, die Liebesgedichte kamen erst später. Aber uns geht es insbesondere auch um Geschichte zum Anfassen. Wir wollen vom Alltag der Menschen in der Römerzeit berichten und tun dies anhand einzelner Personen, die eine Verbindung zu den ausgestellten Objekten haben.“

Aus den Textzeugnissen sprechen unter anderem Liebe und Hass, Stolz und Frömmigkeit. Sie zeichnen das Bild einer äußerst mobilen, multikulturellen Gesellschaft, die in ihren Wesenszügen gar nicht soviel anders war als unsere heutige.

Weil es sich überwiegend um in Stein gemeißelte Dokumente handelt, erwies sich die Handhabung der Ausstellungsstücke aus der gesamten Euregio mitunter als schwierig. Marcell Perse: "Manche waren einfach nicht transportabel."

Wie zur Untermalung des gerade Gesagten ertönt aus einer Ecke des Centre Charlemagne ein vielstimmiges "Eins - zwei - hömmmmmm!!!", und dann versuchen sechs gestande Männer mit roten Köpfen, einen voluminösen Steinquader in die richtige Position zu bugsieren.

 

Centre Charlemagne - Römerausstellung

Viel Arbeit mit den alten Römern: Am Donnerstag wurde im Centre Charlemagne noch schwer gehoben und geschoben. Am Freitagabend zur Eröffnung der neuen Sonderausstellung "Wer schreibt, der bleibt! Als die Römer uns die Schrift brachten." soll alles fertig sein. // Foto: Ulrich Simons

 

Als zusätzliches Problem erwies sich die Grenzlage. "Die unterschiedlichen Wissenschaftskulturen haben wir unterschätzt", bekannte Frank Pohle.

Während hiesige Experten ihre Fundstücke deutsch-gründlich katalogisieren und anhand von Buchstaben und Zahlen fernab jeder Romantik inventarisieren, verfolgen unsere Nachbarn hinter der Grenze oft einen etwas populärwissenschaftlicheren Ansatz und freuen sich beispielsweise über "den Topf mit der ältesten Liebeserklärung der Niederlande".

Hintergrund: Ein junger Römer hatte seiner Mutter einen entsprechenden Vermerk in einen Tontopf geritzt, beim Brennen war dann aber der ganze Ofen in Brand geraten. Den freundlichen Worten an die Mutter hat es nicht geschadet: Der Tontopf hat's überlebt, inklusive Brandspuren ist er in der Ausstellung zu besichtigen.

 

"So etwas kann Cicero nicht leisten"

Auch Prof. Dr. Klaus Scherberich vom Historischen Institut der RWTH war voller Vorfreude. "Es ist zum ersten Mal gelungen, Inschriften aus eine ganzen Region zusammenzutragen", betonte er.

Aus 2000 Jahre alten Inschriften habe man eine Vorstellung von den Menschen der damaligen Zeit, ihren Wünschen, ihrem Glauben und ihren Vorstellungen rekonstruieren können. "So etwas kann Cicero, (Anm.: römischer Schriftsteller, Pflichtlektüre am altsprachlichen Gymnasium) nicht leisten."

 

Verfluchtungstafel

In Form und Inhalt den heutigen Knöllchen nicht ganz unähnlich: Eine "Verfluchungstafel" aus dem belgischen Tongeren. // Foto: Ulrich Simons

 

Ein "toller, seltener Fund" sei in diesem Zusammenhang eine sogenannte "Verfluchungstafel" aus Tongeren gewesen, die jemand wohl unter die Türschwelle einer anderen Person geschoben hat, um ihr allerlei Unheil an den Hals zu wünschen.

Die kleine Platte, in Form und Inhalt den heutigen Aachener Knöllchen nicht ganz unähnlich (Zufall?), ist nur eines der kleinen, feinen Glanzstücke der Ausstellung.

 

Aus Anlass der Ausstellung erscheint im Michael Imhof Verlag ein reich bebilderter Katalog mit 200 Seiten zum Preis von 24,95 Euro. Vorbestellungen werden an der Museumskasse entgegengenommen.

 

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© Ulrich Simons
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