Ziemlich gesittet: Auf der neuen Brücke an der Turmstraße hielten sich in der vergangenen Woche nahezu alle Autofahrer ans Tempolimit. // Foto: Ulrich Simons |
27. November 2024
"Sechs-Tage-Rennen" Turmstraße:
Nur 0,36 Prozent waren zu schnell
Der Amateur-Rennfahrer im weißen AMG-Mercedes hatte beim Start an der Ampel Claßenstraße das übrige Fahrerfeld deklassiert und mit röhrendem Motor Kurs auf den langen Turm genommen. Gerade noch rechtzeitig entdeckte er die mobile Radarfalle an der Prof.-Pirlet-Straße. Jetzt zieren zwei dicke schwarze Streifen die schöne neue Fahrbahn.
Er war die absolute Ausnahme. Die weit überwiegende Mehrheit der 50.144 Autofahrerinnen und Autofahrer, die in der vorigen Woche in Fahrtrichtung Schanz gemessen wurden, hielten sich an die dort vorgeschriebenen 50 km/h. Dies teilte mir Evelin Wölk vom städtischen Presseamt jetzt auf Anfrage mit.
184 waren zu schnell
Als die Brücke am Westbahnhof Anfang Oktober nach fast zweieinhalbjähriger Bauzeit wiedereröffnet wurde, war vielen Autofahrern aufgefallen, dass die beiden Radarfallen auf der Westseite der Brücke verschwunden waren. Damals hatte Elisa Bresser vom Presseteam der Stadt auf Anfrage mitgeteilt: "Die Situation vor Ort wird beobachtet, und falls notwendig, werden die Anlagen wieder installiert."
Das scheint im Moment nicht der Fall zu sein. Denn von den 50.144 gemessenen Autofahrern waren lediglich 180 zu schnell. Das sind gerade mal 0,36 Prozent.
Und auch die drei Spitzenreiter auf dem "Siegertreppchen" waren weit von irgendwelchen Rekordwerten entfernt: Sie waren nach Angaben der Stadt zwischen 74 und 80 km/h schnell.
Rund 250.000 Euro kostet so eine mobile "Blitze", offizieller Name: "Semi-Station". Drei dieser Wägelchen im Wert eines Einfamilienhäuschens hat die Stadt derzeit im Einsatz.
Ob sie künftig die (billigeren) stationären Blitzanlagen komplett ersetzen sollen, sei noch nicht entschieden und werde im Einzelfall geprüft, sagt Evelin Wölk vom Presseamt.
Abschnittskontrolle in Deutschland (noch) nicht zugelassen
Kein Thema ist dagegen die so genannte Abschnittskontrolle mit zwei Kameras. Dabei werden am Beginn und am Ende eines Überwachungsbereiches die Kennzeichen der Fahrzeuge erfasst und die Zeit gestoppt, die der Autofahrer zum Durchfahren des überwachten Bereiches benötigt hat. Wer zu schnell wieder an der Ausfahrt ist, bekommt kurz darauf Post.
Das geht heute ziemlich flott - die Daten aus der mobilen "Blitze" im Bild oben werden nach Angaben der Stadt direkt zur Auswertung weitergefunkt. Die Messstelle zu demolieren, wenn man erwischt wurde, macht also keinen Sinn.
In den Niederlanden und Österreich sind "Sektor-Kontrollen" bereits im Einsatz. In Deutschland ist diese Art der Tempoüberwachung noch nicht zugelassen.
Wo sind all die Autofahrer hin?
Zweite Überraschung, neben dem gesitteten Verhalten der meisten Autofahrer: Während der langen Bauzeit scheinen nicht wenige Autofahrer neue Wege (oder das Fahrrad?) entdeckt zu haben, um ans Ziel zu kommen.
Im Februar 2022 hatte die Verwaltung in einer Vorlage für den Mobilitätsausschuss die tägliche Auslastung der Brücke an der Turmstraße mit rund 30.000 Fahrzeugen (in beide Fahrtrichtungen) angegeben.
Teilt man die 50.144 in der vergangenen Woche erfassten Autofahrer durch die sechs Tage, kommt man aktuell auf einen Tagesschnitt von 8357, allerdings nur in einer Richtung.
Doch auch, wenn man den Wert verdoppelt, liegt er mit 16.714 Fahrzeugen noch fast um die Hälfte unter dem früheren Wert.
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