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Picobello herausgeputzt: Aus dem verschlammten Rosenteich hinter dem Hangeweiher ist innerhalb weniger Wochen ein echtes Kleinod geworden, und Aachen hat einen neuen Aussichtspunkt. Nur das neu angelegte Absetzbecken unterhalb des Geländers im Vordergrund ist für Kinder nicht ganz ungefährlich. // Foto: Ulrich Simons |
01. Mai 2020
Der Rosenteich hinterm Hangeweiher:
Juwel mit Schönheitsfehlern
Was für ein Idyll! Der Mittelstreifen der Kaiser-Friedrich-Allee, viele Jahre lang ein einziger unansehnlicher Dschungel, strahlt in der Frühlingssonne. Die gelben Narzissen der vorigen Wochen sind verblüht, in ein paar Tagen werden Azaleen und Rhododendren an den Ufern der Pau die Optik bestimmen.
Kinder spielen bei schönem Wetter unten am und im Bett des kleinen Baches, der sich knöcheltief durch die Allee in Richtung Hangeweiher schlängelt. Unmittelbar vor der Kreuzung Lohmühlenstraße/ Yorckstraße sammelt sich die Pau im "Rosenteich", bevor sie unter der Straße hindurch in den Hangeweiher entschwindet. Den kleinen Weiher findet man bereits auf alten, fast 100 Jahre alten Stadtplänen.
Ein Schild warnt vor dem Wasser-Fall. Doch es steht viel zu weit weg von der eigentlichen Gefahrenstelle. Besser wäre gewesen, man hätte es gleich am Gitter (im Hintergrund) montiert. // Foto: Ulrich Simons |
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Den Morast am Grund des Gewässers hat man im März mehrere Tage lang mit einem Schneidkopfschwimmsaugbagger erst angekratzt und dann abgepumpt und zur Deponie gefahren. Schön vorsichtig, damit nichts von der Pampe durch das Rohr unter der Straße rüber in den Hangeweiher schwappte.
Jetzt ist der Tümpel wieder richtig tief, und so stehen dann auch zwei ziemlich neue, kleine gelbe Schilder am Ufer, die vor einem Sturz ins Wasser warnen. Die Schildchen sind neben einem Mini-Geländer über dem Ablauf der einzige offizielle Beitrag der Stadt zur Unfallverhütung und Gefahrenabwehr an dieser Stelle.
Eine Gratwanderung
Für die Stadt ist so ein offenes Gewässer eine Gratwanderung. Einerseits will man keinen wuchtigen Zaun in die Landschaft klotzen, auf der anderen Seite liest man immer wieder von Kindern, die beim Spielen an solchen offenen Gewässern oder im Teich des Nachbarn ums Leben kommen.
Ein besonders schreckliches Unglück ereignete sich vor vier Jahren im hessischen Neukirchen. In einem frei zugänglichen, knapp zwei Meter tiefen Dorfteich, der auch von der Feuerwehr als Löschwasser-Reservoir genutzt wurde, ertranken im Juni 2016 drei Geschwisterkinder (neun, acht und fünf Jahre alt). Sie hatten dort nach Zeugenaussagen nicht zum ersten Mal gespielt. |
Auch der Überlauf der Pau in die unterirdische Passage unter der Kreuzung, bisher ein ziemlich unattraktives Gebilde mit zwei verrosteten Gullydeckeln, hat neuerdings das Zeug zum Kinderspielplatz.
Über einen kleinen Damm aus Bruchsteinen plätschert das Wasser aus dem Rosenteich in ein Absetzbecken, wo die Pau aufgrund der verringerten Fließgeschwindigkeit den feinkörnigen Rest des mitgeführten Materials (Sande, Erden) ablagert. Größere Brocken sind spätestens an dem kleinen Damm hängengeblieben oder schon vorher beim Eintritt in den Teich abgesunken.
Das kann man schön beobachten, denn am Ende verschwindet das Wasser nahezu kristallklar durch ein bombastisches Edelstahlgitter unter der Erde.
Gefährlicher Spielplatz
Ich weiß nicht, wie die Kinder von heute ticken, aber für uns als Knirpse wäre das ein idealer Abenteuerspielplatz gewesen.
Mutige hätten über den kleinen Bruchsteindamm von einer Uferseite zur anderen balancieren können, die anderen hätten in der langsam rotierenden Pfütze ihre Baumrinden-Schiffchen zu Wasser gelassen.
Wenn uns dann noch jemand - so wie jetzt am Rosenteich - eine kleine Treppe bis hinunter ans Wasser gebaut hätte, wäre die Freude wohl grenzenlos gewesen. Bis der erste im Wasser gelegen hätte. |
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Bedenklicher Abenteuerspielplatz: Die kleine Treppe, deren Sinn sich nicht erschließt, führt geradewegs und ungesichert in das Absetzbecken. Auf der Wasseroberfläche dümpeln Blüten und Pollen. // Foto: Ulrich Simons |
Urteil: Dreimal fahrlässige Tötung
In Neukirchen hatte die Staatsanwaltschaft etwas Mühe, den Schuldigen auszumachen und nahm sich schließlich den Bürgermeister zur Brust: Klemens Olbrich (CDU) wurde im Fall der drei ertrunkenen Kinder angeklagt.
Das Amtsgericht in Schwalmstadt verurteilte den Verwaltungschef im März dieses Jahres wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung in drei Fällen zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro. Nach Ansicht des Gerichtes war Olbrich seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen. Der Teich, so heißt es in der Urteilsbegründung, weise ein erhebliches Gefahrenpotenzial auf.
Außerdem muss der Bürgermeister 4000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Die Strafe wurde für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Bürgermeister hatte im Laufe des Prozesses im Zusammenhang mit dem mehr als 200 Jahre alten, ungesicherten Teich von einem "allgemeinen Lebensrisiko" gesprochen. Weil er mit einem völligen Freispruch gerechnet hatte, hat er Berufung gegen das Urteil eingelegt.
Am Rosenteich in der Kaiser-Friedrich-Allee sind die Baumaschinen abgerückt, der Bauplatz ist eingeebnet, die Böschung links und rechts am neuen Ablauf frisch eingesät. Es sieht nicht so aus, als seien da noch größere bauliche Veränderungen geplant.
Natürlich kann man von einer Kommune nicht erwarten, dass sie ihren Bürgerinnen und Bürgern sämtliche Zivilisationsrisiken abnimmt. Manchmal würde es einfach schon reichen, wenn sie keine neuen Gefahrenstellen schaffen würde.
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