
Hier hilft wahrscheinlich nur noch ein Tunnel für die Fußgänger und Radfahrer. Durch die Pfeiler der Eisenbahnbrücke sind die Sichtverhältnisse an der Einmündung der Bleiberger in die Vaalser Straße problematisch und erfordern von allen Verkehrsteilnehmern höchste Aufmerksamkeit. Allerdings ist die Ecke im aktuellen Verkehrsunfallatlas NRW nicht als besonders unfallträchtig für Radfahrer ausgewiesen. // Foto: Archiv Ulrich Simons |
01. August 2020
Bleiberger Straße: Fahrrad-Lobby
fordert Umbau
der Einmündung
Der Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten: Kaum war die Unfallstelle an der Bleiberger Straße geräumt und der verletzte Pedelec-Fahrer ins Krankenhaus transportiert, da meldete sich reflexartig die Fahrrad-Lobby polternd zu Wort.
Wahrscheinlich wäre man schulterzuckend zur Tagesordnung übergegangen, wenn hier zwei Autos zusammengerasselt wären. Unfälle, so bedauerlich das ist, passieren halt, so lange Menschen am Straßenverkehr teilnehmen. Aber wenn Radfahrer*innen betroffen sind, hört der Spaß auf.
In einer leicht überzogenen Spontanreaktion schwangen sich ADFC, VCD und die Gruppe "Radentscheid" unter anderem zu der Formulierung auf, es habe sich "um einen besonders dramatischen Fall von motorisierter Gewalt" gehandelt und forderten "unverzüglich geeignete Sofortmaßnahmen, um die Sicherheit im Einmündungsbereich deutlich zu verbessern".
Im Unfallatlas NRW zumindest 2019 kein Unfallschwerpunkt
Ziemlich schweres Geschütz, abgesehen von der Plattheit, alle motorisierten Verkehrsteilnehmer als potenzielle Gewalttäter zu brandmarken, und unangebracht dazu.
Denn bei genauem Hinsehen hatte der Unfall mit der seit Jahren bestehenden baulichen Situation an dieser Stelle wenig bis gar nichts zu tun.
Es war das Fehlverhalten eines rücksichtslosen (oder dummen?) Fahranfängers, das der Zweirad-Lobby jetzt als Steilvorlage dient, um wieder einmal ihre einseitigen Interessen durchzusetzen. Genauso gut hätte der 19-Jährige vorsätzlich eine rote Ampel überfahren können. Leider werden wir wohl nie erfahren, wie dann der Forderungskatalog ausgefallen wäre.
Ein Blick in den gerade in dieser Woche aktualisierten Unfallatlas NRW zeigt zudem, dass ausgerechnet die Einmündung der Bleiberger Straße in die Vaalser Straße zumindest im vergangenen Jahr keinen Unfallschwerpunkt mit Personenschäden darstellte.
Die Pedal-Fraktion sieht das naturgemäß anders: Die Unfallstelle sei bei Radfahrer*innen als besonders kritische Stelle mit teilweise schlechten Sichtbeziehungen bekannt und müsse mit äußerster Vorsicht und Aufmerksamkeit für abbiegende Kraftfahrzeuge befahren werden.
Ja, so ist das nun mal im Straßenverkehr, nicht nur an der Bleiberger Straße.
Schon §1 (1) der in weiten Kreisen der Radfahrenden möglicherweise nicht ganz so verbeiteten Straßenverkehrsordnung ermahnt:
"Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht."
Wer das bereits als Zumutung und Einschränkung seiner persönlichen Freiheiten empfindet, der sollte vielleicht besser sein Fahrrad stehen lassen und zu Fuß gehen.
Vielleicht passiert aber auch genau deswegen an dieser Ecke so wenig, weil Rad- und Autofahrer wissen, dass sie hier höllisch aufpassen müssen.

Unfälle mit Radfahrer-Beteiligung auf der Vaalser Straße zwischen Pariser- und Amsterdamer Ring im Jahr 2019. Während der Abschnitt zwischen Kronenberg und Amsterdamer Ring für Radfahrer ein ziemlich gefährliches Pflaster zu sein scheint, war die nach Ansicht der Fahrrad-Lobby brandgefährliche Einmündung der Bleiberger in die Vaalser Straße (1) absolut unauffällig. // Screenshot: Ulrich Simons |
Völlig verkorkste Radwegsituation
Wer wirklich etwas für die Sicherheit der Radfahrenden an der Vaalser Straße tun will, der sollte sich noch einmal mit etwas mehr Nachdruck der Situation zwischen Kronenberg und Amsterdamer Ring annehmen.
Hier ist durch die völlig verkorkste Radwegführung eine Situation entstanden, die stadteinwärts Radelnde geradezu zum Abschuss freigibt.
Neben den Bussen der Linien 3A, 4, 5, 25, 35, 45, 55 und N7 (lt. aktuellem AVV Plan), die die Haltestelle "Venskyhäuschen 1" anfahren, muss alles, was nach rechts auf den Amsterdamer Ring abbiegen will, im laufenden Betrieb den Radweg überqueren.
Eine Situation, die von Bus- und Autofahrern den Gesichtskreis einer Eule verlangt, weil sie fahrenderweise gleichzeitig von hinten kommende Radfahrer und vor sich den Verkehr an der Ampel im Auge behalten müssen. Das klappt nicht immer, und auch das kann man der Karte sehr präzise entnehmen.
Alles, was der Stadt bisher zu dem Thema eingefallen ist: Nach einem tödlichen Verlehrsunfall wurde der vermurkste Radweg rot angepinselt.
Die "sichere Stadt" kann es nicht geben
Die einzig realistische Maßnahme aus dem umfangreichen Forderungskatalog der Fahrrad-Lobby für die Bleiberger Straße ist die vorgeschlagene Einrichtung einer Fahrbahntrennung auf der Vaalser Straße im Einmündungsbereich, um ein regelwidriges Linksabbiegen in die Bleiberger Straße zu unterbinden. Die einbetonierten orangen Plastik-Fähnchen haben sich auch schon auf der Jülicher Straße zur Absicherung der Busspur bewährt.
Alles andere, wie der Vorschlag einer "Umgestaltung des Einmündungsbereichs zu einer Gehwegüberfahrt durch Aufpflasterung von Geh- und Radweg, um die Geschwindigkeit des abbiegenden Kfz-Verkehrs zu drosseln", ist unrealistischer Klamauk, weil sie mit dem Unfallhergang am Mittwoch überhaupt nichts zu tun haben.
Wenn morgen ein Radfahrer irgendwo in der Stadt vorschriftsmäßig über den Schutzstreifen fährt, und ein verschlafener Autofahrer öffnet ohne zu gucken die Fahrzeugtür - malen wir dann anschließend zwischen Schutzstreifen und Parkstreifen noch anderthalb Meter Sicherheits-Schwenkbereich für die Autotür?
Man kann eine Stadt nicht so (um-)bauen, dass keine Unfälle mehr passieren. Der Ruf, jede Kreuzung oder Einmündung sicherer zu machen, führt erfahrungsgemäß nicht zu weniger Unfällen mit Radfahrern, sondern zu einer trügerischen Sicherheit und einer riskanteren Fahrweise.
Nicht die Straße ändern, sondern die Menschen
Ich wage die Prognose: Wenn demnächst auf der Bismarckstraße fast nur noch Radfahrer unterwegs sind, werden die aneinandergeraten. Oder mit Fußgängern kollidieren. Weil die gefahrene Geschwindigkeit und die Sorglosigkeit zunehmen werden.
iPods im Ohr, Smartphone in der Hand - man ist ja jetzt unter sich.
"Shit happens!" sagen die Briten.
Ist blöde.
Ist fatalistisch.
Aber leider die Realität.
Im Grunde müsste man nicht die Straße ändern, sondern die Fehlerquelle "Mensch".
Wird schwierig.
Ganz abgesehen davon: Man könnte auch mal kurz darüber nachdenken, wie viele Sorglos-Radfahrer noch leben oder ohne Blessuren davongekommen sind, weil der Autofahrer aufgepasst und rechtzeitig gebremst hat. Aber das passt bei der Fahrrad-Lobby irgendwie nicht ins Weltbild.
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