Da fährt sie hin, die Hoffnung: Noch deutlicher als die CDU ist jetzt die SPD in Sachen Umbau Lütticher Straße auf die Linie der Grünen eingeschwenkt. // Foto: Ulrich Simons |
19. Dezember 2020
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Umbau Lütticher Straße:
SPD schlägt sich auf die Seite der Grünen
Auto verkaufen oder wegziehen, so lange vor der Tür noch ein Möbelwagen halten kann. Das sind die Optionen, die viele Anwohner der mittleren Lütticher Straße in Zukunft noch haben werden. Zumindest jene, die auf ihr Auto angewiesen sind und nicht einfach aufs Fahrrad umsteigen können.
Denn die SPD hat sich jetzt in einem Schreiben an die Anwohner offen auf die Seite der Grünen geschlagen. Dass die Anwohner im Abwehrkampf gegen die Neuaufteilung der Straße von der CDU keine Hilfe erwarten können, war schon länger bekannt.
Gaby Breuer, mobilitätspolitische Sprecherin der CDU im Rat, hatte in einer kurzen Erklärung Ende November lediglich angekündigt, dass ihre Partei durch eine rechtzeitige Bürgerbeteiligung die Akzeptanz der Anwohner für die nach dem Umbau fälligen Anliegerbeiträge erhöhen wolle.
Im Rat gibt es keine ernst zu nehmende Opposition mehr
Etwas ausführlicher hat jetzt die SPD auf Nachfrage Position bezogen. Deren mobilitätspolitische Sprecherin Ye-One Rhie und Manfred Bausch, Kandidat bei der Kommunalwahl für den Stimmbezirk Preuswald//Hangeweiher, machten mit freundlichen Grüßen den Eindruck komplett, dass es im Rat der Stadt zumindest in der Frage der sogennannten Verkehrswende keine ernst zu nehmende Opposition mehr gibt.
Während die Grünen immer noch glauben, 34,08 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 53,39 Prozent seien eine "stabile Basis" für ihre Arbeit, opfert die ehemalige Ratsmehrheit aus CDU und SPD, die mit 24,81 bzw. 18,33 Prozent der Stimmen eine veritable Opposition abgeben würden, scheibchenweise ihr Profil, verfolgt mit schlotternden Knien das Treiben der Grünen, verprellt ihre frühere Klientel und macht sich überflüssig.
Wer das Schreiben der SPD liest, könnte glatt auf die Idee kommen, beim nächsten Urnengang gleich die Grünen zu wählen. Im Wortlaut:
"In unserem aktuellen Wahlprogramm haben wir uns eine solidarische Verkehrswende für Aachen vorgenommen. Wir sind der Überzeugung, dass in Aachen Fuß- und Radverkehr sowie Bus und Bahn, der sogenannte Umweltverbund, deutlich gestärkt und ausgebaut werden müssen. Nur so können wie eine gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für breite Bevölkerungsschichten herstellen. Eine Umgestaltung der Lütticher Straße werden wir an diesem Ziel messen und entsprechend umfassend müssen die Verbesserungen für den Umweltverbund sein.
Eine umfassende Verkehrswende bedeutet natürlich eine deutliche Änderung der aktuellen Verhältnisse, und die Erfahrungen in Aachen und anderen Städten zeigen, dass man zur Förderung des Umweltverbunds Platz im Straßenraum umverteilen muss. Konkret werden die Flächen auf der Lütticher Straße für Fuß- und Radverkehr größer und für den Autoverkehr kleiner werden müssen.
Bei diesen Veränderungen ist es entscheidend, dass die Bürger:innen mitgenommen werden. Wir sind daher über den bisherigen Ablauf der Bürgerbeteiligung zu den neuen Planungsvarianten für die Lütticher Straße sehr unglücklich.
Dass zuerst in den zuständigen Ausschüssen beschlossen und eine Bürgerinformation durchgeführt werden sollte, ist für uns nicht nachvollziehbar. Wir haben daher für die kommende Sitzung des Mobilitätsausschusses den Punkt “Bürgerbeteiligung im Rahmen von Planungsverfahren” auf die Tagesordnung setzen lassen. Die Verwaltung soll Gelegenheit zur Darstellung der aktuellen Vorgehensweise erhalten, und es soll eine alternative Vorgehensweise diskutiert werden.
Parallel haben wir seit Beginn der Debatte das direkte Gespräch mit den Anwohner:innen der Lütticher Straße :innen (Anm.: das steht so da), ein angenehmer und konstruktiver Austausch. Wir begrüßen ausdrücklich die konstruktiven Ideen für eine alternative Planung. Die Vorschläge der Bürger:innen werden wir zur Prüfung an die Verwaltung weiterleiten.
In einer gemeinsamen Video-Konferenz mit den Anwohner:innen haben wir auch eigene, neue Alternativen eingebracht, die wir jetzt im weiteren Verlauf durch die Verwaltung prüfen lassen. Diese Vorschläge fanden den Zuspruch der Anwohner:innen und stärken deren Interessen, ohne die Ziele der Verkehrswende aus dem Blick zu verlieren.
"Fahrradautobahn" ist ein "Kampfbegriff"
Im Rahmen dieser Gespräche und auch bei der Lektüre der derzeitigen Berichterstattung mussten wir leider erhebliche Informationslücken und Missverständnisse feststellen. Lücken und Missverständnisse, die mit Leichtigkeit z.B. durch die Verwaltung gefüllt werden könnten.
Dass der Unterbau der Lütticher Straße nicht mehr dauerhaft tragfähig ist und daher vollständig erneuert werden muss, dass Baumaßnahmen zum Schutz der Wurzeln einen Mindestabstand von bestehenden Bäumen halten müssen, dass eine Bewohnerparkzone den Parkdruck reduzieren kann, und so weiter, sind Eckpunkte, die bei der Planung berücksichtigt werden müssen.
In dieser komplexen Gemengelage halten wir Kampfbegriffe wie “Fahrradautobahn” für unangemessen. Die Planung für die Lütticher Straße muss verschiedenste Randbedingungen berücksichtigen und wird am Ende ein Kompromiss zwischen den verschiedensten Ansprüchen sein.
Eine deutliche Verbesserung der Bedingungen für den Radverkehr halten wir dringend geboten. Die Ziele des Radentscheids wurden nicht nur mit überwältigender Mehrheit im Rat der Stadt Aachen beschlossen, sondern lieferten gleichzeitig auch einen Standard für die Planung von Radverkehrsanlagen.
Wir haben uns überzeugen lassen, dass eine funktionierende Radverkehrsförderung das “Bauchgefühl” der Menschen berücksichtigen muss und daher baulich getrennte Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen benötigt. Ebenso überzeugend finden wir das Argument, dass ein soziales Nebeneinanderfahren möglich sein sollte, z.B. als begleitender Erwachsener auf dem sicheren Schulweg. Dafür benötigen wir ausreichend breite Radwege, die wohl kaum als “maßlos” bezeichnet werden können.
Als SPD ist uns vor Ort der konstruktive Austausch mit den Bürger:innen sehr wichtig. Wir sind deshalb aktiv im Dialog, werden das Verfahren der Verwaltung wie oben beschrieben verbessern und haben die Bürger:innen angeregt, einen Antrag an das Bürgerforum zu richten, um hier die konstruktive Debatte öffentlich mit allen Beteiligten fortzuführen."
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