23. September 2021
Über Aachens vermutlich sinnloseste Protected Bike Lane können Sie demnächst an der Vaalser Straße kurz vor der Grenze den Kopf schütteln: Dort entsteht auf einer Länge von 132 Metern ein von der Fahrbahn baulich getrennter Radweg, unterbrochen von neun Grundstückszufahrten, darunter die Einfahrt zu einem rege frequentierten Ärztehaus mit vier Arztpraxen.
Frei nach dem alten Schiller-Wort: "Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet, da kann der Staat nur untergehen", brachten die Grünen am Mittwochabend in der Bezirksvertretung Aachen-Laurensberg das umstrittene Projekt gegen den Rat von Verwaltung, Aseag und Polizei und gegen die Interessen der Anwohner auf den Weg.
Noch am Dienstagabend hatte Karin Schmitt-Promny (Grüne) bei einer interfraktionellen Beratung wörtlich eingeräumt: "Das Ärztehaus ist nicht mit einer Protected Bike Lane vereinbar. Das hat uns sehr zu denken gegeben." Offenbar aber nicht lange genug.
Zahnarzt Dr. Wolfgang Noethlichs, Anwohner und von der neuen Fahrbahnaufteilung Mit-Betroffener, hat die Sitzung der Bezirksvertretung für meinen "Nachschlag" zusammengefasst. Ich selber konnte leider nicht teilnehmen. Hier ist sein Bericht:
"Wieder wurden die gleichen Argumente ausgetauscht. Wir wiesen noch einmal darauf hin, dass die Protected Bike Lane nach der Definition aus dem Radentscheid keine solche ist und auf dem kurzen, von neun Einfahrten unterbrochenen Stück Vaalser Straße aus dargelegten Gründen eher Gefahrenpotential als Sicherheit bieten würde.
Unsere Architektin und Anwohnerin Melanie Gehards betonte auch nochmal, dass sie heute im Gespräch mit der Baustellenleitung vor Ort ebenfalls die Auskunft bekommen habe, die Variante 2b sei auch aus Sicht der Praktiker ohne Zweifel die beste Lösung.
Ebenso erklärten wir, dass diese Variante 2b mit der Rotmarkierung etc., dem Ziel 4 aus dem Radentscheid für die Sanierung von Straßen entsprechen würde und in der Kosten-Nutzen-Relation (bei gleichzeitigen Erhalt von 34 Parkständen und deutlich reduzierten Kosten) die vernünftigere Alternative sei.
Das sahen die Mitglieder der CDU-Fraktion genauso und brachten einen entsprechenden Antrag für Variante 2b ein.
Die FDP, vertreten durch Dr. Nils Brodowski, der sich dem Mandat aller Bürger, d.h. Radfahrer, Fußgänger und Autofahrer verpflichtet fühlt, unterstützte diesen Antrag.
"In vielen Jahren noch nie erlebt"
Die an Bezirksbürgermeisterin Petra Perschon-Adamy (Grüne) gerichtete Frage, warum Sie entgegen der eindeutigen Faktenlage, entgegen den Expertisen aus Verwaltung, Aseag etc. und entgegen dem bei zwei Ortsterminen deutlich geäußerten Wunsch der Mehrheit der Anwohner nach Variante 2b auf Biegen und Brechen Variante 3b durchsetzen will, und ob denn bei den Grünen in Aachen die Bezirksvertretung Laurensberg überhaupt eine Rolle als Entscheider habe, wollte sie zum einen lieber schriftlich beantworten, erklärte zum anderen aber auch, dass die Bezirksvertretung hier keine wirkliche Entscheidungsmöglichkeit habe!
Das wurde von der CDU Fraktion entschieden kritisiert, die erklärte, dass der Beschluss der Bezirksvertretung als wesentliche Entscheidungsgrundlage in die nächste Sitzung des Mobilitätsausschusses eingebracht werde. Dies wäre auch eigentlich von vorneherein das korrekte Prozedere gewesen und nicht die Nichtinformation der Bürger sowie die Missachtung der vorgeschriebenen Wege unter Umgehung des Beschlusses der Bezirksvertretung. Ulrich Kusch (CDU) betonte, so etwas habe er in seinen vielen Jahren in der BV noch nie erlebt.
Im Anschluss ergriff dann Karin Schmitt-Promny das Wort für die Grünen und wiederholte erneut und mehr als ausführlich die Argumente ihrer Fraktion. Den Einwurf von Ulrich Kusch (CDU), hier seien doch wohl offensichtlich ideologische Gründe für die Entscheidung maßgeblich, wies sie entschieden zurück.
SPD lässt sich nicht blicken und kneift bei der Abstimmung
Überraschend und unverständlich war die Haltung der SPD, vertreten durch Julie Göths und Helga Efes. Da man sich bislang kein klares Bild von Variante 2b habe machen können und auch keine Bürgeranhörung möglich gewesen sei, brachte sie für die SPD den Beschlussvorschlag ein, den Beschluss der BV auf die nächste Sitzung zu vertagen.
Den Anwohnern war auch aufgefallen, dass außer der SPD alle Fraktionen zu den beiden Bürgertreffen vor Ort erschienen waren. Zeit und Gelegenheit wäre also ausreichend vorhanden gewesen.
Am Dienstag hatte eine ausführliche Diskussion und Darstellung der Varianten auf Einladung der CDU-Fraktion unter der Leitung der Vorsitzenden der Ratsfraktion, Iris Lürken, im Forum an der Talstrasse für alle Parteien, die Verwaltung und die betroffenen Bürger stattgefunden, bei der für die SPD Julie Göths als auch Jan van den Hurk – Mitglied des Mobilitätsauschusses und Mit-Initiator des Radbescheids – anwesend waren.
Der Antrag der SPD auf Vertagung wurde dann auch nur von den beiden SPD-Damen Helga Efes und Julie Göths befürwortet.
Sebastian Klick (Grüne): "Politische Gesinnung ist mit maßgeblich"
Bei der für die Bürger entscheidenden Abstimmung des Tages über die Varianten 2b und 3b entzog sich die SPD dann jedoch der Verantwortung und enthielt sich, so dass auf Grund der dann noch bestehenden Mehrheitsverhältnisse letztlich die Grünen unter Führung von Karin Schmitt-Promny mit sehr knapper Mehrheit ihre Variante 3b durchdrücken konnte.
Petra Perschon-Adamy (Grüne), enthielt sich, um die Mehrheitsverhältnisse auszugleichen, da Alexander Gilson (CDU) nicht anwesend war.
Melanie Gerhards, die als Architektin und Initiatorin des "Bürgerprotestes Vaalser Straße" einen professionell gezeichneten Plan vorgelegt hatte, der die Vorzüge der Variante 2b gegenüber der Variante 3b noch einmal graphisch aufzeigen sollte, richtete im Rahmen der Bürgeranhörung einige Fragen an Sebastian Klick, der für die fachliche Seite der Grünen sprechen sollte.
Dieser wiederholte die mittlerweile bekannten Argumente und fügte dann hinzu, dass letztlich die Grundsätze der persönlichen politischen Gesinnung für eine solche Entscheidung mit maßgeblich seien. Ein offenes Wort! Das ist wohl das, was Ulrich Kusch (CDU) Ideologie genannt hatte.
Anwohner: "Hatten das mit der Bürgerbeteiligung anders verstanden!"
Sehr schade, dass gerade auf der Ebene unseres Bezirks Laurensberg nicht die Belange der betroffenen Anwohner und Fakten im Vordergrund stehen, sondern scheinbar übergeordnete politische Interessen, resümieren die Betroffenen.
Wir waren auf der Suche nach konstruktiven Lösungen und einem Konsens und haben das Gespräch zu allen gesucht, als bereits Tatsachen geschaffen waren und unnötigerweise alles unter extremen Zeitdruck geriet, weil die Bagger schon vor unseren Häusern standen.
Es wurde uns ein sogenannter Kompromiss angeboten, der den Namen nicht verdient.
Wir wollten Fronten zwischen Radfahrern, Spaziergängern und Autofahrern vermeiden und hatten eine moderate, vernünftige Lösung erarbeitet, mit der alle auch künftig weiter gut zusammen hätten leben können, frei von ideologischen Forderungen und orientiert am Bürgerwillen, den Vorschlägen von Verwaltung und Fachleuten sowie überzeugenden Fakten. Und das ebenfalls im Sinne des Radentscheids!
Wir hatten das mit der Bürgerbeteiligung anders verstanden!
Deshalb haben wir auch den Kontakt zur Oberbürgermeisterin gesucht (bislang ohne Erfolg), die ja vor nicht allzu langer Zeit im Zusammenhang mit der ähnlich gelagerten Situation an der Lütticher Straße hervorgehoben hatte, wie wichtig Ihr der konstruktive Umgang und das Gespräch mit betroffenen Bürgern sei!?"
Die Grünen (4 Stimmen) und die Linke (1) waren dafür, CDU (3) und FDP (1) dagegen. Die SPD, die zuletzt von ihrem Votum aus dem Mobilitätsausschuss wieder abgerückt war, stahl sich mit einem fadenscheinigen Manöver aus der Verantwortung und enthielt sich ihrer zwei Stimmen.
Jörg Lindemann (CDU) am Dienstag auf der interfraktionellen Vorbesprechung: "Durch die zahlreichen Einfahrten ist die bike lane nur zu 50 Prozent protected. Die wird löcherig wie ein Schweizer Käse."
Auf der Lütticher Straße hatte die Verwaltung aufgrund einer ähnlich gelagerten Situation die Idee einer Protected Bike Lane nach erbittertem Widerstand der Anwohner schließlich wieder verworfen.
Am kommenden Donnerstag, 30. September, wird sich der Mobilitätsausschuss in öffentlicher Sitzung unter Tagesordnungspunkt 30 nochmals mit dem Thema befassen. Es gelten die 3G-Regeln. Entsprechende Nachweise sind vorzulegen.
Die Sitzung in der Club Lounge 1 des Tivoli an der Krefelder Straße beginnt um 17 Uhr. Im Gegensatz zur Bezirksvertretung haben Bürgerinnen und Bürger in den Fachausschüssen kein Rederecht.