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Die neue Vaalser Straße kurz vor der Grenze: An beiden Straßenrändern sind auf einer Länge von 250 Metern sämtliche Parkplätze weggefallen. Anwohner, Besucher, Patienten und Lieferanten können künftig sehen, wo sie mit ihren Autos bleiben. In den Wohnstraßen, die von der Vaalser Straße abgehen, ist schon jetzt kaum noch ein freier Parkplatz zu bekommen. // Foto: Ulrich Simons |
30. August 2023
"Sternstunde" der Verkehrsplanung:
die neue Vaalser Straße
Sie haben alle Register gezogen: 46 Pkw-Parkplätze sind weg, auf einer Straßenseite verläuft neuerdings eine Fahrrad-Autobahn, gegenüber ein Gaga-Radweg. Am Grenz-Parkplatz, von Grünen und Verwaltung als Alternative angeboten, sind die gestiegenen Parktarife schon eingepreist: Ein Euro für 40 Minuten, macht pro Stunde 1,50 Euro. Am Donnerstag, 21. September, wird die neu aufgeteilte Vaalser Straße offiziell eingeweiht.
Kopfschütteln. Denn nur wenige Meter versetzt verläuft parallel die Alte Vaalser Straße. Die ist künftig eine Fahrradstraße. Gerade werden die letzten Meter asphaltiert. Auch hier fallen Dutzende Straßenrand-Parkplätze weg. Die Anwohner sehen dann Rot.
Radfahrer haben demnach künftig auf der Vaalser Straße die freie Auswahl. Anwohner, Besucher, Patienten der Ärztehäuser und alte Menschen, die dort wohnen und auf das Auto angewiesen sind, können schauen, wo sie bleiben. So geht grüne Verkehrspolitik.
Zahlreiche Arztpraxen
Wer geglaubt hatte, als Autofahrer draußen weit vor der Stadt von den schlimmsten Auswüchsen des Radentscheides verschont zu bleiben, den haben Aachens Verkehrsplaner im Schulterschluss mit der grün-roten Ratsmehrheit in den vergangenen beiden Jahren vom Gegenteil überzeugt.
"Vaalser Straße: Umbau könnte bis zu 46 Parkplätze kosten" war mein erster Bericht zum Thema überschrieben, der vor ziemlich genau zwei Jahren, am 21. August 2021, hier zu lesen war. (Die gesamte Chronik finden Sie am Ende dieses Artikels.)
Die Anwohner waren ganz oben auf der Palme. Denen hatte die Stadt lediglich erzählt, dass die Fahrbahn vor ihrer Haustür eine neue Asphaltdecke bekommen soll. Die Fahrradautobahn wollte man den Anwohnern ohne lange Debatte im Rahmen einer in keinem Regelwerk zu findenden "Schneller-Besser-Maßnahme" mit unterjubeln.
SPD hat keine Meinung und hilft den Grünen
Die Oberbürger*innenmeister*in ging auf Tauchstation, die CDU erschien in großer Besetzung zum Ortstermin, und die SPD verprach in wohlklingenden Worten, sich das ganze nochmal durch den Kopf gehen zu lassen, um sich am Ende bei den entscheidenden Abstimmungen in aller Deutlichkeit zu enthalten und damit letztendlich doch auf die Seite der Grünen zu schlagen.
Das Ergebnis, mit einer Stimme Mehrheit und gegen alle Expertenratschläge im November 2021 in den politischen Gremien durchgedrückt, kann man seit einigen Tagen besichtigen.
Politik führt ihre eigenen Pläne ad absurdum
Doch es sollte noch toller komen: Die Diskussion um den Umbau der Vaalser Straße war bereits seit einem Dreivierteljahr im Gange, da führte die Politik ihre eigenen Pläne ad absurdum: Am 19. Mai 2022 beschloss der Mobilitätsausschuss, die parallel verlaufende Alte Vaalser Straße zu einer Fahrradstraße umzubauen. Auszug aus der damaligen Beschlussvorlage für die Bezirksvertretung Laurensberg und den Mobilitätsausschuss:
"Bereits heute weist die Alte Vaalser Straße einen hohen Radverkehrsanteil auf: Im Dezember 2018 wurden auf Höhe der Keltenstraße 285 Radfahrende zwischen 7 und 19 Uhr gezählt. Über den Tag betrachtet ergibt sich damit ein Radverkehrsanteil von ca. 26 Prozent. In der Spitzenstunde (17:45 – 18:45) wurden 38 Radfahrende gezählt. In Anbetracht der Jahreszeit der Zählung ist zu erwarten, dass die radverkehrliche Bedeutung der Straße insgesamt noch höher zu bewerten ist."
In der Spitzenstunde also alle zwei Minuten ein Radfahrer. Dafür krempeln die eine komplette Straße um. Was auch in der Vorlage steht:
"Die Kosten werden mit 210.000 Euro kalkuliert."
In dem letztlich zum Scheitern verurteilten Bemühen, künftig in Aachen alles, was Füße oder Räder hat, auf dem gleichen Stück Straße unterzubringen, können Politik und Verwaltung einen weiteren fragwürdigen "Erfolg" verbuchen.
Da erst 2025 wieder Kommunalwahlen sind, ist zu befürchten, dass es nicht der letzte war.
Die Chronologie:
20.08.2021 - Vaalser Straße:
Letzte Baustelle vor der Grenze
21.08.2022 - Vaalser Straße: Umbau könnte bis zu 46 Parkplätze kosten
14.09.2021 - Vaalser Straße: CDU lädt Anwohner zum Ortstermin
16.09.2021 - Vaalser Straße: Neue Hoffnung
nach dem Termin mit der CDU
20.09.2021 - PBL Vaalser Straße:
SPD will nochmal nachdenken
23.09.2021 - Grüne beschließen
132 Meter Bike Lane mit neun Einfahrten
02.10.2021 - Kommentiert Gegen alle Argumente:
Radfahrer bekommen den Parkstreifen
08.10.2021 - Vaalser Straße: CDU hebelt die Sinnlos-Bike Lane aus
17.11.2021 - Stadt markiert Vaalser Straße erst mal in Gelb
22.12.2021 - Vaalser Straße: Jetzt kommen die Anwohner doch noch zu Wort

Es war einmal .... Die Vaalser Straße in Vaalserquartier, kurz vor der deutsch-niederländischen Grenze, auf einem Foto vom 20. August 2021. // Foto: Archiv Ulrich Simons

Noch ziemlich viel Luft nach oben. Doch die Stadt ist überzeugt: Jetzt, wo das Angebot da ist, stellt sich die Nachfrage von alleine ein. Dann kommen auch die Radfahrer. Aber auch der Herbst und der Winter. // Foto: Ulrich Simons

Vaalser Riesenslalom: Weil neben dem Schild mit den Tempoangaben eine Verkehrsinsel die Straße verengt, dürfen Radfahrer in Richtung Innenstadt sich zunächst den Bürgersteig mit den Fußgängern teilen. Das Symbol auf dem Boden besagt, dass Radfahrer hier auf die Fußgänger Rücksicht nehmen sollen, was die wenigsten tun. Hinter dem Schild wechseln Radfahrer nach links auf den ehemaligen Parkstreifen, allerdings nur für knapp 50 Meter bis zur Hecke an der Keltenstraße (im Hintergrund). Ab da geht es den Berg hinauf wieder gemeinsam mit den Fußgängern. Theoretisch. Da den Piktogrammen der offizielle blaue Hintergrund fehlt, ist die Benutzung des Radweges nicht vorgeschrieben. Radfahrer können also genauso gut in der Straße fahren. Warum mussten dann die Parkplätze wegfallen? // Foto: Ulrich Simons

Am 21. September, einem Donnerstag, wird die neue Vaalser Straße ab 17:30 Uhr, frei von jeglichem stehenden Blech, dafür aber vermutlich mit dem üblichen Brimborium, eingeweiht. Etwa zur gleichen Zeit dürfte die parallel verlaufende Alte Vaalser Fahrradstraße (Bild) fertig sein, die in Kürze auf einem letzten Teilstück noch eine neue rote Asphaltdecke bekommt. Nicht angestrichen, wie vor Ort zu erfahren war, sondern vier Zentimeter dick durchgefärbt. // Foto: Ulrich Simons

Auf dem Teilstück in Richtung Püngelerstraße ist die Alte Vaalser Fahrradstraße schon fertig. Wer demnächst als Radfahrer noch die Vaalser Straße benutzt, dem ist nicht mehr zu helfen. // Foto: Ulrich Simons

Auch auf dem Parkplatz an der Grenze, den man den Anwohnern als Alternative zu den wegfallenden Parkplätzen vor ihrer Haustür in Aussicht gestellt hatte, gelten inzwischen die neuen Tarife für Zone 2: 40 Minuten parken kostet einen Euro. Wie lange das noch funktioniert, weiß kein Mensch. Der Parkplatz ist "Bauerwartungsland" und soll irgendwann einmal bebaut werden. Dass dort die erste Aachener Quartiersgarage entstehen wird, halten Kenner der Verhältnisse im Rathaus für unwahrscheinlich. // Foto: Ulrich Simons |
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